Die Brüder Löwenherz
sein Haar war zerzaust, als hätte er lange geschlafen. Und gegenüber am offenen Fenster lehnte der Trog an der Wand, War er nicht flink wie ein Wiesel, mein neuer Großvater?
Aber Dodik konnte einem beinahe leid tun. Noch nie hatte ich jemanden gesehen, der ein so urdummes Gesicht machte wie er, der dort stand und Matthias anglotzte.
»Ich wollte nur einen Schluck Wasser trinken«, brummte er.
»Einen Schluck Wasser, so, das ist ja hübsch«, sagte Matthias.
»Du weißt ganz gut, daß Tengil es euch verboten hat, von uns Wasser anzunehmen!
Wir könnten euch doch vergiften. Und wenn du mich deshalb noch einmal aufweckst, dann werde ich das auch tun.«
Ich faßte es nicht, wie er es wagte, so etwas zu Dodik zu sagen. Aber vielleicht war es ja der richtige Ton für einen Tengilmann. Denn Dodik grunzte nur und machte, daß er wieder auf seine Mauer kam.
Erst als ich Tengil von Karmanjaka erblickte, wusste ich, wie ein wirklich grausamer Mensch aussieht. Er kam in seiner goldenen Schaluppe über den Fluß der Uralten Flüsse gefahren, und ich stand mit Matthias dort und wartete auf ihn.
Jonathan hatte mich hingeschickt. Er wollte, daß ich Tengil sah.
»Denn dann begreifst du besser, weshalb die Leute hier im Tal schuften und hungern und sterben und dabei nur einen Gedanken und einen Traum haben - ihr Tal wieder frei zu sehen.«
Hoch oben in den Bergen Der Uralten Berge lag Tengils Burg. Dort wohnte er.
Nur manchmal kam er über den Fluß ins Heckenrosental, und er kam nur, um die Menschen in Schrecken zu versetzen, damit keiner vergaß, wer er war, und vielleicht zuviel von Freiheit träumte. Das hatte mir Jonathan erzählt. Anfangs konnte ich kaum etwas sehen. Vor mir standen so viele Tengilsoldaten. Mehrere Reihen, die Tengil schützen sollten, während er im Heckenrosental war.
Wahrscheinlich fürchtete er, daß ein Pfeil aus dem Hinterhalt geflogen kam.
Tyrannen haben immer Angst, das hatte Jonathan gesagt. Und Tengil war der schlimmste aller Tyrannen. Nein, zuerst sah ich fast gar nichts und Matthias auch nicht.
Zwei alte Linden standen dort und dazwischen war Tengil geritten und blieb stehen. Hoch zu Roß saß er dort und starrte über den Markt und die Menschen hinweg und sah nichts und niemanden, davon war ich überzeugt. Neben sich hatte er seinen Ratgeber, einen hochmütigen Kerl, der Pjuke hieß, wie Matthias mir sagte.
Pjuke saß auf einem Schimmel, der beinahe ebenso prächtig war wie Tengils Rappe, und sie saßen da auf ihren Pferden und starrten vor sich hin. Lange saßen sie so da.
Um sie herum hielten Soldaten Wache, Tengilmänner in schwarzen Helmen und schwarzen Umhängen und mit gezogenen Schwertern. Sie schwitzten, das konnte man sehen, die Sonne stand schon hoch am Himmel, und es war ein warmer Tag.
»Was wird Tengil wohl sagen?« fragte ich Matthias. »Daß er mit uns unzufrieden ist«, sagte Matthias. »Etwas anderes sagt er nie.«
Er sprach aber gar nicht selber, dieser Tengil. Zu Sklaven sprechen konnte er nicht.
Er redete nur mit Pjuke, und danach gab Pjuke bekannt, wie unzufrieden Tengil mit den Leuten im Heckenrosental sei. Sie arbeiteten schlecht und schützten Tengils Feinde.
»Und Löwenherz ist noch immer nicht gefunden worden«, sagte Pjuke. »Unser gnädiger Fürst ist auch darüber ungehalten.«
»Ja, das versteh ich, das versteh ich«, hörte ich jemanden dicht neben mir murmeln.
Es war ein in Lumpen gehüllter armer alter Tropf. Ein Männchen mit zottigem Haar und einem grauen, verfilzten Bart. »Die Geduld unseres gnädigen Fürsten ist bald am Ende«, sprach Pjuke weiter, »und er wird das Heckenrosental hart und schonungslos strafen.« »ja, daran tut er recht, daran tut er recht«, plärrte der Alte neben mir, und ich begriff, daß es ein Narr sein mußte, einer, der nicht bei Verstand war.
»Aber«, fuhr Pjuke fort, »in seiner großen Güte wartet unser gnädiger Fürst noch eine Weile mit der blutigen Strafe, und er hat sogar eine Belohnung ausgesetzt.
Zwanzig schöne Schimmel für denjenigen, der Löwenherz fängt.« »Den Fuchs werd ich mir schnappen«, piepste der Alte und knuffte mich in die Seite. »Zwanzig schöne Schimmel schenkt mir dann unser gnädiger Fürst, hoho, das ist ein guter Preis für so ein Füchslein.«
Ich wurde so zornig, daß ich ihn am liebsten geschlagen hätte. Selbst ein Narr durfte so nicht reden!
»Hast du denn kein einziges Fünkchen Verstand?« flüsterte ich, und da kicherte er nur.
»Nein, hab ich nicht«, sagte
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