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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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er, und dabei schaute er mir gerade ins Gesicht, und ich sah seine Augen. So schöne, leuchtende Augen hatte nur Jonathan!
    Nein, er hatte wirklich kein Fünkchen Verstand! Wie konnte er es nur wagen, sich mitten vor Tengils Nase aufzupflanzen! Freilich, es hatte ihn niemand erkannt.
    Nicht einmal Matthias. Er erkannte ihn erst, als Jonathan ihm auf die Schulter klopfte und sagte: »Alter Mann, haben wir uns nicht schon mal gesehen?«
    Jonathan hatte sich schon immer gern verkleidet. Abends in der Küche hatte er mir oft Theater vorgespielt. Als wir noch auf Erden lebten, meine ich. Er konnte sich ganz unglaublich herausstaffieren und die verrücktesten Spaße treiben. Bisweilen hatte ich so über ihn lachen müssen, daß ich Bauchweh bekam.
    Aber hier vor Tengil, das war doch zu toll! »Ich mußte doch auch sehen, was hier vorgeht«, flüsterte Jonathan, und jetzt lachte er nicht mehr. Es gab ja auch nichts, worüber man lachen konnte. Denn nun mußten sich alle Männer des Heckenrosentals vor Tengil in Reih und Glied aufstellen, und mit seinem grausamen Zeigefinger wies er auf diejenigen, die über den Fluß nach Karmanjaka gebracht werden sollten. Ich wußte, was das bedeutete, Jonathan hatte es mir erzählt. Keiner von denen, die Tengil ausgewählt hatte, war je lebend zurückgekehrt. Sie mußten in Karmanjaka als Sklaven arbeiten und Steine für die Festung herbeischleppen, die Tengil hoch oben in den Bergen Der Uralten Berge für sich erbauen ließ. Eine Festung sollte es werden, die kein Feind je erobern konnte, und dort würde Tengil in seiner Grausamkeit jahraus, jahrein sitzen und sich endlich sicherfühlen können. Um so eine Festung zu errichten, brauchte man viele Sklaven, und sie mußten sich schinden, bis sie tot umfielen.
    »Und dann kriegt Katla sie«, hatte Jonathan gesagt. Es schauderte mich trotz des Sonnenscheins, als ich daran dachte. Und doch war für mich Katla nichts weiter als ein abscheulicher Name.
    Während Tengil mit dem Finger auf seine Opfer wies, war es auf dem Marktplatz totenstill. Nur ein Vogel im Baum über ihm sang und jubilierte. Er wußte ja nichts von dem, was Tengil dort unter der Linde tat.
    Aber dann war da noch das Weinen. Es klang so kläglich, dieses Weinen all der Frauen, die ihre Männer verloren, und auch der Kinder, die ihre Väter nie wiedersehen sollten. Übrigen weinten alle. Auch ich.
    Tengil aber hörte das Weinen nicht. Er saß dort hoch zu Roß und jedesmal, wenn er auf jemanden zeigte und damit zum Sterben verurteilte, blitzte der Diamant an seinem Zeigefinger auf. Es war furchtbar, nur mit seinem Zeigefinger verurteilte er Menschen zum Tode!
    Einer von denen aber, auf die er wies, mußte wohl den Verstand verloren haben, als er seine Kinder weinen hörte. Denn plötzlich brach er aus der Reihe aus, und noch ehe die Soldaten ihn zurückhalten konnten, war er zu Tengil gestürzt.
    »Tyrann!« schrie er. »Einmal mußt auch du sterben, hast du daran gedacht?«
    Und dann spuckte er Tengil ins Gesicht. Tengil verzog keine Miene. Er gab nur ein Zeichen mit der Hand, und der Soldat, der am nächsten stand, hob sein Schwert.
    Ich sah es im Sonnenschein aufblitzen, doch im selben Augenblick hatte Jonathan meinen Nacken umfaßt und mein Gesicht an seine Brust gedrückt, damit ich es nicht mit ansah.
    Aber ich spürte, oder vielleicht hörte ich auch, wie es in Jonathans Brust schluchzte. Und auf dem Heimweg weinte er. Das tat er sonst nie.
    An diesem Tag herrschte Trauer im Heckenrosental. Alle trauerten. Alle außer Tengils Soldaten. Im Gegenteil: Sie freuten sich wie immer, wenn Tengil ins Heckenrosental kam, denn dann gab er seinen Leuten ein Sauf- und Fressgelage.
    Kaum war das Blut des Erschlagenen auf dem Marktplatz getrocknet, rollte man Fässer voll Bier heran und briet Schweine am Spieß, so daß der Bratendunst dick über dem Heckenrosental lag, und alle Tengilmänner aßen und tranken und rühmten Tengil, der ihnen so viel Gutes tat. »Dabei sind es die Schweine des Heckenrosentals, die sie hinunterschlingen, diese Banditen«, sagte Matthias, »und es ist das Bier des Heckenrosentals, das sie saufen.« Tengil selber nahm an dem Gelage nicht teil. Nachdem er genügend Männer herausgesucht hatte, fuhr er über den Fluß zurück.
    »Und wahrscheinlich sitzt er jetzt zufrieden in seiner Burg und glaubt, das Heckenrosental sei vor Entsetzen gelähmt«, sagte Jonathan, als wir heimgingen. »Er bildet sich bestimmt ein, daß es hier nur noch verängstigte Sklaven

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