Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
Vom Netzwerk:
die Hände gestützt, sagt er zu Crossman: »Lassen Sie hören.«
    Crossman steht auf und gibt dem Präsidenten die aus wenigen Blättern bestehende Akte, die ihm einer seiner Mitarbeiter kurz zuvor ausgehändigt hat. Auf den blauen Aktendeckel hat jemand mit dickem Filzstift Holly Amber Habscomb geschrieben.

6
    Maria sitzt auf dem Anleger, der in den Mississippi hineinragt, und spielt mit ihren Füßen im Wasser. Die straff sitzende Weste über ihrem Bikini lässt ihre Brüste hervortreten. Das Holster mit der Dienstwaffe hat sie vorsichtshalber in Reichweite liegen. Der gestirnte Himmel über ihr sieht aus wie in einem Science-Fiction-Film. Bewusst atmet sie den Geruch nach Gras und heißen Stei nen ein, der vom Ufer aufsteigt. Seit Jahren hat sie sich nicht so wohl gefühlt. Sie ist nahezu glücklich. Es kommt ihr vor, als mache das Leben hier nahe der Fischerhütte am Ufer des Mississippi eine Atempause, als sei die Außenwelt um diesen Zufluchtsort herum verschwunden, und als zähle nichts anderes mehr.
    Jetzt streckt sie sich auf dem Anleger aus und betrachtet den Himmel. Überrascht stellt sie fest, dass sie sich wie ein kleines Mädchen auf die Unterlippe beißt, während sie hofft, den Anblick einer Sternschnuppe erhaschen zu können. Wenn sie einen Wunsch freihätte, wäre es der, auf immer dortbleiben zu dürfen und nie wieder fortzumüssen. Der Zauber, der von heiligen Stätten ausgeht. Holly, Gordon und sie haben dort zwei denkbar einfache und herrliche Tage verbracht. Zwei Tage, an denen sie im Fluss
geschwommen sind, gegessen und im Schatten der alten Ulme gedöst haben. Zwei Tage, an denen sie Forellen aus dem Wasser geholt haben, die Gordon unter Hollys staunenden Augen auf erhitzten Steinen zubereitet hat. Zwei Tage, an denen sie miteinander gezankt, vor sich hin geträumt und alles andere vergessen haben.
    Allmählich war die Trauer aus Hollys Augen verschwunden und hatte einer gewissen Freude am Leben Platz gemacht. Maria hatte es die Kehle zugeschnürt, als sie das helle Lachen des Mädchens hörte. Sie hatte sich gefragt, wie ein junger Mensch, der solches Entsetzen durchgemacht hat, noch die Kraft finden konnte zu lachen. Dann war auch sie dem Zauber der Örtlichkeit erlegen. Man hätte glauben können, dieser Zufluchtsort sei lebendig, es genüge, den Duft der dort wachsenden Blumen zu atmen, um Kummer und Zorn zu vertreiben.
    Während Gardeners Erinnerungen allmählich in den Hintergrund traten, hatte Maria gespürt, wie angenehme Erinnerungen ihr Herz erfüllten. Erinnerungen an die Kindheit. Der Geruch nach Kreide und Wandtafel, nach Klebstoff, Tinte und Lösch papier. Vor allem aber hatte sie mit Gordon immer öfter lange und bedeutungsvolle Blicke gewechselt.
    Als sie es am Vorabend endlich geschafft hatten, dass sich Holly zum Schlafen hinlegte, nachdem sie eine volle Stunde lang auf ihrem Feldbett herumgehüpft war, hatte Walls die Sturmlaterne ausgeblasen und war zu Maria getreten, die auf der Schwelle der Hütte saß. Ihre Lippen hatten einander gefunden, und während Walls sacht Marias Rücken liebkoste, auf dem die Schweißtropfen allmählich zu trocknen begannen, hatten sie im Halbdunkel eine leise Stimme gehört: »Ich seh euch, ist euch das klar? Was ihr da treibt, ist widerlich. Ihr habt euch ja nicht mal die Zähne geputzt.«

    Danach hatten sie zwei weitere Stunden damit zugebracht, Hollys Fragen zu beantworten, und als sie endlich einschlief, waren auch sie mit ihrer unerfüllten Sehnsucht in Schlummer gesunken.
     
    Maria, die vor sich hin döst, spürt mit einem Mal, wie die Bretter des Anlegers unter Gordons Schritten leicht vibrieren. Sie richtet sich auf, als er sich neben sie setzt und seine Füße neben den ihren ins Wasser hängt. Als sich ihre Zehen berühren, entflammt ihre Begierde wie am Vorabend. Walls trägt Shorts, und nichts darunter. Während sie so tut, als rücke sie sich ein wenig zurecht, während es ihr in Wahrheit darum geht, sich unauffällig näher an ihn heranzuschieben, wirft sie einen Seitenblick auf seinen muskulösen Oberkörper. Ihre Schultern berühren einander ganz leicht. Eine herrliche Wärme breitet sich in ihr aus. Sie räuspert sich.
    »Schläft sie?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Ich habe ihr vier Mal das Märchen von Jack und der Bohnenranke erzählt. Beim dritten Mal ist sie eingeschlafen. Beim vierten Mal habe ich absichtlich Veränderungen eingebaut und Ekeltiere wie Spinnen und Regenwürmer erwähnt, ohne dass sie sich gerührt

Weitere Kostenlose Bücher