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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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sie sagten, immer beleidigt klang.
Du musst Theresia sein. Dein Vater hat so viel von dir erzählt
. Beleidigt.
Das ist ein schöner Pullover, den du anhast, Theresia. Hast du den selbst gestrickt?
Beleidigt.
Sieh mal, was ich dir mitgebracht habe, Theresia
. Beleidigt.
    »Ist Papa da?«
    Tessa hatte es nie über sich gebracht, ihre Stiefmutter mit
Mutter
,
Mama
oder
Mutti
anzureden. Einmal, sie war dreizehn oder vierzehn gewesen, hatte ihr Vater ihr sogar eine Ohrfeige verpasst, als sie vom Abendbrottisch aufgesprungen war und gebrüllt hatte, dass sie lieber aus dem Fenster springen als Karin mit
Mama
anreden würde. Spät am Abend war er zu ihr ins Zimmer gekommen. Sie hatte sich schlafend gestellt, und er hatte sich an ihr Bett gesetzt und gemurmelt:
Es tut mir so Leid. Theresia. Bitte verzeih mir. Ich weiß doch auch nicht, was richtig ist. Ich will ja nur, dass es euch gut geht.
    »Volker hat sich gerade hingelegt.«
    »Es ist kurz vor zwei.«
    »Willst du deinem Vater verbieten, sich nach dem Essen hinzulegen?«
    »Kannst du ihm bitte sagen, dass ich angerufen habe?«
    »Ich weiß nicht, ob ich noch da bin, wenn er aufsteht. Ich habe um halb drei einen Termin bei meinem Heilpraktiker.«
    »Vielleicht kannst du ihm einen Zettel hinlegen?«, sagte Tessa und versuchte, nicht extra unfreundlich zu klingen.
    »Theresia, ich stehe schon im Mantel, und ich weiß nicht, wer den Stift, der hier liegen sollte, schon wieder verschleppt hat.«
    Eine kleine Stimme in Tessas Kopf sagte:
Lass es. Es bringt nichts. Es ist vorbei
.
    Laut sagte sie: »Wie enttäuschend, dass ich es nicht gewesen sein kann.«
    Es gab eine kurze Pause, in der sie ihre Stiefmutter in ihren Steghosen neben dem Telefon stehen und mit dem Kugelschreiber, den sie in irgendeiner Apotheke geschenkt bekommen hatte, Jägerzaunmuster auf den Block kritzeln sah, den ihr Vater von der Versicherung geschenkt bekommen hatte, für die er bis zum letzten Herbst gearbeitet hatte. Keine drei Wochen, nachdem ihre Stiefmutter bei ihnen eingezogen war, hatte es den ersten Ärger wegen des Telefonblocks gegeben. In dieser Zeit war es unter den Mädchen der Klasse schick gewesen, Schriften zu erfinden. Und so malte Tessa, wenn sie mit einer Schulfreundin telefonierte, beliebige Wörter wie
David
oder
Geohausarbeiten
in bauchig gefüllter Schrift auf den Block. Ihre Stiefmutter stellte sie wegen Papierverschwendung zur Rede. Tessa entgegnete ihr, dass sie alles Recht der Welt hätte, beim Telefonieren Schriften zu erfinden, solange
sie
beim Telefonieren ihre Jägerzäune kritzelte. Seit diesem Streit hatte ihre Stiefmutter peinlich darauf geachtet, dass die Seiten, auf die sie beim Telefonieren Jägerzäune gekritzelt hatte, verschwunden waren, bevor Tessa das nächste Mal am Telefon vorbeikam. Natürlich hatte ihre Stiefmutter nicht kapiert, dass Tessa an den hart durchgedrückten Linien noch drei Blätter weiter erkennen konnte, dass sie wieder Jägerzäune gekritzelt hatte.
    »Richte Papa bitte aus, dass er mich den ganzen Tag zu Hause erreichen kann.«
    »Es ging ihm sehr schlecht letzte Woche. Der Arzt meint, er braucht einen Bypass. Volker hätte sich bestimmt gefreut, wenn du dich nach ihm erkundigt hättest.«
    »Verdammt. Sag mir, was ich gerade tue!«
    »Ich kann dir nichts versprechen.«
    Tessa wollte schreien, dass sie sie auch gar nicht darum gebeten hatte, ihr irgendetwas zu versprechen, sondern einfach nur einen gottbeschissenen Zettel zu schreiben, auf dem die gottbeschissenen drei Wörter standen:
Theresia hat angerufen
. Sie legte auf.
    Ihr Rücken tat weh. Sie fühlte sich schlapp. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, sie müsse gegen Wände treten. Tessa hatte nie verstanden, wie ihr Vater eine Kosmetikerin hatte heiraten können. Keinen Tag, nachdem ihre Stiefmutter bei ihnen eingezogen war, hatte sie Tessa zur größten Hautkatastrophe erklärt, die sie je gesehen hätte. Natürlich hatte Tessa ein paar Pickel gehabt, aber bis dahin trotzdem das Gefühl, eine viel bessere Haut als die meisten ihrer Klassenkameraden und -kameradinnen zu haben. Ihre Stiefmutter kannte kein Pardon. Einmal wöchentlich musste sie zum Pickelausdrücken, Peeling und zur Gesichtsmaske antreten. Ihre Haare wurden jeden zweiten Tag gefönt, da ihre Stiefmutter ihr zugestand, schöne Haare zu haben, und der Meinung war, das Einzige, was Tessa tun könne, sei mit den Haaren von ihrer Hautkatastrophe abzulenken. In der Nacht vor ihrem sechzehnten Geburtstag schnitt Tessa sich

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