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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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die Haare mit der größten Papierschere ab. Ihre Stiefmutter redete zwei Wochen nicht mit ihr.
Undankbar
und
sehen, wen sie abkriegt
, waren die einzigen Wörter, die Tessa hinter ihrem Rücken gezischt hörte.
    Der Autoschlüssel fiel klirrend zu Boden.
    »Gott, hast du mir einen Schrecken eingejagt.« Tessa stieß die Luft aus. Noch immer wütend vom Gespräch mit ihrer Stiefmutter hatte sie nicht bemerkt, wie sich die Fahrertür des dunkelgrauen Jeeps hinter ihr geöffnet hatte und jemand ausgestiegen war.
    »Grüß dich, Patricia.«
    Es war erst zwei- oder dreimal vorgekommen, dass sie der einzigen Nachbarin hier unten in der Tiefgarage begegnet war.
    »Tag, Tessa. Fleißig am Joggen?« Die Anwältin schlug die Tür ihres Wagens zu. »Ich fliege nächsten Mittwoch für drei Wochen nach Spanien«, sagte sie übergangslos. »Kannst du dich in der Zeit um Barnabas kümmern?«
    »Barnabas?«
    »Mein Kater.«
    Tessa bückte sich, um den Schlüssel aufzuheben. »Ich weiß nicht. Ich habe überhaupt keine Erfahrung mit Katzen.«
    »Du brauchst auch keine Erfahrung. Einmal am Tag Wasser und Futter auffrischen, alle zwei Tage Katzenklo sauber machen.
That’s it

    »Katzenklo?«
    »Das ist keine große Geschichte. Neben der Kiste liegen eine Schippe und Beutel. Mit der Schippe tust du die zusammengeklumpte Katzenstreu in einen Beutel, Beutel zu und fertig.«
    »Normalerweise fände ich das gar kein Problem, aber ich bin schwanger.«
    Es kam kein begeisterter Aufschrei. Kein
herzlicher Glückwunsch
. Patricia Montabaur schaute sie an wie jemand, der auf die Pointe wartete.
    »Meine Hebamme hat mir gesagt, dass ich während der Schwangerschaft auf keinen Fall ein Katzenklo sauber machen soll.« Tessa brauchte nicht in das Gesicht ihrer Nachbarin zu schauen, um zu wissen, wie albern sie klang. »Im Katzenkot sind wohl besonders viele Krankheitserreger, Listeriose und so was, und es wäre schlimm für das Kind, wenn ich mir jetzt irgendwas einfange. Verstehst du?«
    Als Tessa vom Joggen zurückkam, hatte ihr Vater bereits zwei Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen. Schnell schlüpfte sie aus den schmutzigen Klamotten unter die Dusche. Eigentlich cremte sie sich nach dem Duschen immer gleich ein, jetzt wollte sie lieber erst telefonieren.
    »Hallo, Papa. Ich war nur kurz aus dem Haus. Karin hatte mir gesagt, dass du schläfst.«
    »Ich hab nur ein bisschen die Beine hoch gelegt. Geht es dir gut?«
    »Ja. Karin hat gesagt, dass du wieder Herzprobleme hast?«
    »Ach, halb so schlimm.«
    »Sie hat gesagt, du brauchst einen Bypass.«
    »Der Arzt hat gesagt, dass ich irgendwann in den kommenden Jahren vielleicht einen Bypass brauche. Bei mir ist alles in Ordnung. Ich mache mir viel mehr Sorgen um Karin. Ihre Bandscheibe wird immer schlimmer. Und jetzt haben sie auch noch den Verdacht, dass sie Zucker hat.«
    Vor drei Jahren hätte Tessa an dieser Stelle gesagt: »Papa, die Frau ist kerngesund.«
    Da sie die Hoffnung, ihrem Vater klar zu machen, dass er sich von einer frustrierten Hypochonderin terrorisieren ließ, endgültig begraben hatte, sagte sie: »Tatsächlich? Sind die Pflanzen gut angekommen, die ich dir zum Geburtstag geschickt habe?«
    Die Kombination, Mitgefühl für die Krankheiten ihrer Stiefmutter zu simulieren und sofort anschließend das Gespräch auf die letzte Leidenschaft ihres Vaters – Rosen – zu bringen, hatte sich als die einzige Strategie erwiesen, die verhinderte, dass die Telefongespräche zwischen Tessa und ihrem Vater im Streit endeten.
    »Ja.« Ihr Vater klang irritiert. »Hatte ich mich dafür nicht schon bedankt?«
    »Entschuldige. Natürlich. Du hast mich ja gleich, nachdem sie bei dir ankamen, angerufen.«
    Es gab eine lange Pause, in der Tessa ihren Vater atmen hörte.
    »Papa, es tut mir wirklich Leid, dass ich das vergessen habe.«
    »Ach was, ist schon in Ordnung. Du hast doch so viel um die Ohren.«
    »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du klingst nicht so.«
    Ihr Vater räusperte sich. Er war nie gut darin gewesen, seine Stimme heiter klingen zu lassen, wenn es ihm nicht gut ging. »Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob ich dich damals wirklich angerufen habe.«
    »Doch. Du hast mich angerufen«, sagte Tessa. »Du hast mir gesagt, dass es genau die Sorten waren, die du schon seit Jahren gesucht hast.«
    »Karin meint, es käme in letzter Zeit öfter vor, dass ich etwas vergesse.«
    »Papa. Lass dir von dieser Frau

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