Die Buchmalerin
viel größer als einer seiner Finger und an den Rändern verbrannt. Langsam strich er darüber. Ein guter, schwerer Stoff und dort, wo die Asche abfiel, von schwarzer Farbe. Der Stoff eines Benediktinerinnenmantels.
Léon trat nach draußen, rief die Soldaten zu sich und teilte ihnen mit, was er entdeckt hatte. Sie führten die Hunde zu den schwachen Spuren im Schnee und ließen sie laufen. Einer der Hunde, ein grauhaariger Rüde mit dem schmalen Kopf eines Wolfmischlings, nahm nach einigem Suchen eine Fährte auf. Er lief aus der Umfriedung, schnupperte und folgte den verwehten Spuren in südlicher Richtung auf den nahen Wald zu.
Der Diener beobachtete das Tier mit gerunzelten Brauen, ehe er dem Soldaten, der die Hunde abgerichtet hatte, befahl, den Rüden zurückzurufen und an die Leine zu nehmen. Anschließend wandte er sich an einen anderen der Männer. Diesem trug er auf, nach Köln zurückzureiten und dem Kardinal die Nachricht zu überbringen, dass die Frau, die sie suchten, sich auf dem Gehöft verborgen hatte. Außerdem, dass einer der Hunde eine Fährte aufgenommen hatte, der sie jetzt folgen würden.
*
Interessiert betrachtete Enzio den toten Inquisitor, der in der Kapelle des erzbischöflichen Palastes aufgebahrt lag.
Über den Körper des Toten war eine nachtblaue Samtdecke gebreitet, die die klaffende Wunde in seinem Unterleib verhüllte. Kerzen aus gelbem Wachs brannten zu beiden Seiten der Leiche. Die Kälte in dem steinernen Raum war so groß, dass das Eis den Leichnam immer noch nicht freigegeben hatte. Ja, das gefrorene Wasser hatte die Gesichtszüge des Inquisitors so festgehalten, wie sie im Augenblick seines Todes gewesen waren: verzerrt von Schmerz und ohnmächtiger Wut. Mit seinen weit offenen Augen schien Gisbert ihn immer noch anzusehen.
Heinrich, der deutsche König, hatte ihm bisher noch keine Nachricht zukommen lassen, ob er den Aufstand gegen den Vater wagen wollte. Sein Zögern hing wahrscheinlich damit zusammen, dass er mittlerweile die Botschaft des Kölner Erzbischofs erhalten und von der Wiederkehr des toten Inquisitors erfahren hatte. Enzio seufzte. Friedrich hätte dies sicher als einen guten Witz empfunden. Während der weiche und unsichere Sohn darin, vermutete er, ein böses Omen erblickte. Um den zaudernden König umzustimmen, hatte er sich entschlossen, den Einsatz zu erhöhen und nach Trier zu reiten. Seine Pläne würden aufgehen. Es würde ihm gelingen, den schwankenden König endgültig auf seine Seite zu ziehen.
Während sein Atem in der kalten Luft eine weißliche Dampfwolke bildete, ließ Enzio seinen Blick noch einmal über die Leiche des toten Inquisitors wandern.
Nein, Gisbert, dachte er und lächelte ein wenig. Du wirst meine Pläne nicht gefährden. Deine Mörder sind gefunden. Der Begarde hat gestanden und die Beginen werden noch zugeben, dass sie dem Mann geholfen haben. Und was die Frau und den Kundschafter des Staufers betrifft – früher oder später werden meine Leute sie zu fassen bekommen!
*
Ida Sterzin musterte Jörg, ihren Sohn. Er sah hübsch aus, mit seinem lockigen dunklen Haar und dem neuen Mantel, den er trug. Seine Wangen waren vor Aufregung gerötet und seine braunen Augen leuchteten. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Gib gut auf dich Acht!« Ihre Stimme klang weich und besorgt.
»Ach, Mutter …« Jörg schob sie von sich und verzog ungeduldig den Mund. »Was soll mir schon geschehen? Der Legat des Papstes hat Veit aufgefordert, ihn nach Trier zu begleiten. Und falls Veit ihm dabei helfen kann, die Ketzerin zu finden, ist ihm eine Belohnung sicher. Dasselbe gilt für mich. Und wenn nicht … Vielleicht erwächst mir dadurch, dass ich mit dem Tross des hohen Herrn unterwegs war, ein anderer Vorteil.«
»Sicher …« Sie fühlte wieder den vertrauten, stechenden Schmerz in ihrem Unterleib.
»Außerdem habt Ihr mir immer geraten, Beziehungen zu den Reichen und Mächtigen zu knüpfen«, fügte er vorwurfsvoll hinzu.
Ida Sterzin strich ihm über die Wange, so als wollte sie sich sein Gesicht noch einmal einprägen. Eine Geste der Zärtlichkeit, die für sie ungewohnt war und über die sie sich selbst wunderte. Jörg tätschelte ihre Hand unwillig und verlegen, ehe er sich abwandte und die niedrige Stube verließ.
Als die Seidenstickerin seine Schritte auf der Treppe hörte, lief sie hastig zur Tür und einige Stufen hinauf, bis sie zu einem Fenster gelangte. Sie stieß den hölzernen Laden auf, der vor der Kälte
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