Die Buchmalerin
letzten Wochen auf sich genommen hatte, umsonst gewesen sein würde? Hatte sie sich so in ihr getäuscht?
»Eine Frau, die als rückfällige Ketzerin gilt, und eine Äbtissin, die der Ketzerei verdächtig ist …«, Adelheid seufzte.
»Wenn Ihr nicht für mich bürgen wollt …«, fuhr Donata auf.
»Das habe ich nicht gesagt!«, versetzte die Äbtissin barsch. » Den glimmenden Docht löscht Er nicht aus und das geknickte Rohr bricht Er nicht um – so steht es beim Propheten Jesaja. Nun, wenn je etwas einem geknickten Rohr vergleichbar war, dann wohl zwei der Ketzerei beschuldigte Frauen, die einen Kardinal und Legaten des Papstes des Mordes bezichtigen. Ja, ich werde für dich bürgen.« Sie besann sich. Für eine Weile war nur das leise Knistern des Dochtes zu hören und das Wachs, das auf den Kerzenhalter tropfte.
»Eine Menschenmenge ist beeinflussbar«, redete die Äbtissin schließlich nachdenklich weiter. »Im Guten wie im Bösen. Außerdem werden auch die Familien der Beginen dem Prozess beiwohnen. Falls das Volk uns Glauben schenkt, wird sich der Erzbischof dem kaum entziehen können. Er hat ohnehin schon genug Schwierigkeiten am Hals. Ihm kann wirklich nicht daran gelegen sein, auch noch in den Verdacht zu geraten, mit dem Mörder eines Inquisitors zu paktieren, der außerdem eine Verschwörung gegen Kaiser und Papst anzettelt.«
»Enzio von Trient darf nicht gewinnen …« Donata wusste selbst nicht, wie die Äbtissin und sie es schaffen sollten, die Menschen von der Schuld des Kardinals zu überzeugen. Sie wusste nur, dass es ihnen gelingen musste. Daran klammerte sie sich fest.
»Ehe wir den Kardinal beschuldigen, müssen wir allerdings erst einmal am Gerichtstag aus dem Kloster entkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kardinal ausgerechnet an diesem Tag seine Wachen abziehen wird.« Die Stimme der Äbtissin hatte wieder den üblichen spröden Klang.
»Der Abt, Euer Großneffe, will Euch dabei helfen. Als Zeichen, dass Ihr für mich bürgen werdet, sollt Ihr einen Leuchter, der einmal Eurer Familie gehörte, auf den Altar stellen. Seinen Schaft schmücken drei Vögel, deren Schwingen wie zum Flug erhoben sind. So wie bei diesem …« Donata deutete auf den Leuchter, der vor Adelheid auf dem Tisch stand.
»Gut …« Die Äbtissin schaute Donata unverwandt an. »Du musst dir aber darüber im Klaren sein, dass wir scheitern können. Dann werde ich große Mühe haben, mein eigenes Leben zu retten, geschweige denn deines.«
»Ja, ich weiß.«
»Und du willst es dennoch wagen, obwohl du während der vergangenen Jahre stets auf der Flucht vor der Inquisition warst? Und dieser Prozess gegen die Beginen und den Begarden vielleicht schlimm für dich enden wird?«
»Ich habe mich entschieden.« Donata sah vor sich hin. »Ich hänge nicht mehr den Lehren der Albigenser an. Aber ich kann auch nicht an das glauben, was die Kirche verkündet. Was meint Ihr, wenn Enzio mich töten lässt, wird meine Seele in die Hölle wandern und für immer dort bleiben, in einer ewigen Qual?« Ihr Gesicht, das sie nun der Äbtissin zuwandte, war sehr bleich.
»Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete die alte Frau nachdrücklich. »Ich vertraue darauf, dass Gott jedem Menschen, der sich bemüht, aufrichtig zu sein, gnädig ist.«
»Bilhildis, die Begine, glaubte, Gott wäre gut«, sagte Donata leise. »Wisst Ihr, wo man sie verscharrt hat?«
»Ja …«
»Und Luitgard und die anderen Frauen, habt Ihr etwas darüber erfahren, wie es ihnen geht?«
Ein Schatten legte sich auf das Gesicht der Äbtissin. »Ich fürchte, nicht gut.« Ehe Donata weitere Fragen stellen konnte, erhob sie sich und berührte sie an der Schulter. »Komm jetzt. Ich werde dir zeigen, wo du schlafen kannst.«
*
Im erzbischöflichen Palast ließ Enzio von Trient die Hand sinken, in der er ein beschriebenes Pergament hielt – ein Brief, den ihm ein Bote des Königs überbracht hatte. Nachdenklich schaute er durch den Raum, in dem Kerzen auf einem hohen, vielarmigen Leuchter brannten. Erleichterung und eine starke Zuversicht erfüllten den Kardinal. Er sah das imaginäre Schachbrett vor sich, auf dem er seine Züge tat. Wieder war es ihm gelungen, eine seiner Figuren so vorteilhaft zu positionieren, dass er seinem Ziel ein wichtiges Stück näher gerückt war.
Der König teilte ihm mit, dass er ihm zu dem Prozess gegen die Mörder Gisberts eine halbe Hundertschaft Soldaten schicken würde. Damit, so Heinrich, hoffe er, die Belange des
Weitere Kostenlose Bücher