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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Wand lehnte ihr Webrahmen – leer. Neben ihrer Matte lag ein Rock. Ein Rock! Ruben hatte allen Ernstes ihre Arbeit fertiggestellt, während sie geschlafen hatte. Obwohl dies doch Frauenarbeit war. Wahrscheinlich hatte er es für äußerst tollkühn gehalten, die Geister auf diese Weise zu verwirren, überlegte sie belustigt. So recht wusste sie nicht, was sie nun tun sollte. Schließlich überwand sie sich, schlüpfte aus ihrem Nachthemdfetzen und wickelte sich den Rock um die Hüften. Der faserige Stoff fühlte sich durchaus angenehm auf der Haut an, wenngleich er ziemlich steif war. Aber womit sollte sie ihren Oberkörper bedecken? Erwartete Ruben, dass sie mit entblößten Brüsten herumlief? Bei den Yayasacu war es schließlich umgekehrt, sie fanden nicht Nacktheit, sondern Kleidung beschämend. Amely kramte nach einem Messer und schnitt einen breiten Streifen aus dem Nachthemd, den sie sich um die Brust wickelte. Das war, für hiesige Verhältnisse, ein halbwegs angemessener Aufzug. Als sie wieder ins Freie trat, kam ihr Ruben entgegen.
    Wohlgefällig musterte er sie von oben bis unten. Doch rasch wurde seine Miene wieder ernst. «Der Kazike ist krank. Er hat den Vantu in seinen Eingeweiden sitzen. Kein Heil-Lied vermag den Geist zu vertreiben. Daher hat Rendapu nach dir geschickt.»
    «Aber was denkt er denn, das ich tun kann?», rief sie nervös. «Ich bin doch keine Krankenschwester.»
    Er runzelte die Stirn über das fremde Wort. «Hol dein Instrument. Du musst über ihm spielen.»
    «Ach du lieber Himmel», murmelte sie, eilte in die Hütte und ergriff ihren Geigenkasten. Wenn der Häuptling das so wollte – nun gut. Sie hoffte nur, dass man sie nicht dafür verantwortlich machte, wenn er keinerlei Wirkung verspürte. Hinter Ruben lief sie her, auf den Häuptlingsbaum zu. Am Fuß der Trittstufen stand Tiacca wie eine aus Holz geschnitzte Wächterfigur. Als Tochter Rendapus stand ihr sicherlich zu, misstrauisch zu sein. Amely wartete, dass Ruben schimpfte oder schrie. Doch die beiden schwiegen sich nur ausgiebig an. Schließlich trat Tiacca zur Seite.
    Amely musste sich am Stamm festhalten, um die wackligen Äste, die man als Stufen in den Stamm gebohrt hatte, zu bewältigen. Der aus Lianen geflochtene Boden federte unter ihren Füßen wie eine gespannte Plane. Etliche bunte Tücher flatterten in der aus Ästen und Palmblättern errichteten Hütte. Tabakqualm wallte ihr entgegen. Von rauchenden und singenden Schamanen umringt, lag Rendapu auf einer Matte. Die Hände hatte er seitlich über dem Bauch gekrampft. Er wälzte sich und stöhnte. Auf Rubens aufforderndes Nicken hin wankte sie unsicher zu ihm. Die Schamanen wirkten nicht glücklich über ihr Erscheinen; nur Pinda entblößte seine gelben Zähne, die die Pfeife hielten, zu einem Lächeln.
    «Iporã», sagte Rendapu und winkte:
Es ist gut
. «Che rayqyme.» Auch das wusste Amely zu deuten:
Ich bin krank
. Den Rest seiner freundlichen Worte verstand sie nicht.
    «Was soll ich tun?», fragte sie Ruben.
    «Spiel einfach.»
    Sie kniete neben dem Kaziken. Und spielte drauflos. Das Instrument hatte in dem ewig feuchten Klima gelitten, und die Töne schmerzten in ihren Ohren. Die Männer, die nichts anderes als die lärmende Musik von Trommeln, Flöten und den riesigen Bambusrohren kannten, machten staunende Gesichter. Unter ihren Blicken gelang es Amely nicht, in ihrem Spiel zu versinken; sie wusste kaum, was sie da spielte. Doch dem Häuptling gefiel es. Seine Hände lockerten sich. Sein ganzer Leib entspannte sich.
    Ihr war nie aufgefallen, wie grau und verfilzt seine Haare waren. Trotz der ausgeprägten Falten hatte sein Gesicht etwas Kindliches. Wenn er lächelte, erschienen zwei tiefe Grübchen in seinen Wangen.
    Als sie die Geige sinken ließ, glaubte sie für einen Moment, er sei eingeschlafen. Doch er griff nach ihrer Hand und rieb sie. Seine Stimme war erstaunlich kraftvoll.
    «Seine Schmerzen sind gemildert», übersetzte Ruben seine Worte. «Der Heil-Geist ist in ihm.»
    «Das, nun … ich freue mich, dass es ihm besser geht.» Ein wenig schief erwiderte Amely das Lächeln. Wahrscheinlich war es eine Gallenkolik gewesen. Ihre Musik würde nicht verhindern, dass sie wiederkehrte.
    «Er sagt, du hast noch keinen Namen.»
    «Ich heiße Amely, weiß er das nicht?»
    «Aber das war dein Kind-Name. Du bist jetzt erwachsen. Er sagt, du heißt Kuñaqaray sai’ya: die Frau mit dem Gold im Mund.»
    «Oh. Sag ihm, dass ich mich freue. Das ist sehr

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