Die Bucht des grünen Mondes
wächst!»
Er packte ihr Handgelenk. Sie zerrte daran, verlor ihr Gleichgewicht, fiel hart auf die Knie und wollte wieder aufspringen. Da war er über ihr. Mit seinem ganzen Gewicht drückte er sie zu Boden.
«Pfeffer wächst nur im Garten des Kaziken.»
«Hör auf, mich zu belehren. Ich habe es so satt!»
Bevor sie schreien konnte – wozu, wer würde ihr helfen? –, verschloss er ihren Mund mit der Hand. Sie biss zu. Fluchend schüttelte er seine Hand aus. Es half ihr nichts; seiner Stärke hatte sie nichts entgegenzusetzen. Er zerrte an ihren Kleidfetzen, entblößte ihren Unterleib. Sein Ansinnen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Was das betrifft, bist du auch nicht anders als dein Vater
. Für einen Augenblick lag sie starr. Sie glaubte jeden einzelnen Grashalm zu spüren, jedes Ästchen, jeden Käfer, der sich in ihre Haut drückte. Sein erregt keuchender Mund presste sich auf ihre Lippen.
Nein!
, wollte sie schreien. Sie schlug nach ihm, wollte seinen Kopf packen, um ihn wegzudrücken. Ihre Finger gruben sich in seine prächtigen Haare. Und das,
großer Gott
, fühlte sich gut an. Alles an ihm fühlte sich unerhört gut an. Seine verschwitzte Haut auf ihrer, seine harten Muskeln, die sie niederzwangen. Sie sollte sich schämen, das zu genießen, was sie an seinem Vater so gehasst hatte. Aber sie tat es. Ach, sie tat es …
«Ruben, hör auf.» Ein letzter, gehauchter, lächerlicher Versuch, das Ungeheuerliche zu verhindern. Eine letzte Möglichkeit, überhaupt etwas zu sagen. Denn er küsste sie. Er drang in ihren Mund, füllte sie mit seiner Zunge aus. Er spielte mit ihrem Goldtropfen, dass es ihr schwindelte vor Genuss. Das war es, ganz bestimmt, was die getrocknete Zunge ausdrücken sollte. Wie von selbst öffneten sich ihre Beine. Sie entsetzte sich über Amalie Wittstock, die Rühr-mich-nicht-an. Die Ahnungslose. Die Gierige.
Wenn ich das zulasse, kann ich nie mehr in mein altes Leben zurück
. Aber was scherte sie ihr altes Leben? Sie war doch ohnehin bereit gewesen, es fortzuwerfen, niederzuschießen. Nur dies hier zählte. Nur dieser Augenblick. Ruben. Sie. Furcht flackerte für die Dauer eines Herzschlags auf, als sie ihn eindringen spürte.
Es tut weh, es tut weh, ich weiß es doch
…
Dann war er in ihr. Nichts tat weh.
5. Kapitel
Sie war eine Frau geworden. Es war nicht geschehen, als sie mit einundzwanzig Jahren erwachsen wurde. Nicht, als sie Kilian geheiratet hatte. Auch nicht mit dem Griff in den Ameisenbeutel. Nun erst. Und sie freute sich über ihre Neuentdeckung wie ein Kind. Seite an Seite lag sie mit ihm auf ihrer Matte in der Hütte, strich über seinen Arm, erkundete jeden Muskel, jedes Härchen, das sich unter ihrer Berührung aufrichtete, ersehnte es, die Lippen auf seine Brust zu drücken, den Tropfen Schweiß aufzulecken, der in der Kuhle seines Schlüsselbeins glänzte. Seinen Duft tief in sich aufzusaugen. Die Augen zu schließen und zu träumen von ihm, dann langsam die Lider zu heben und zu sehen, dass er wirklich da war, ganz und gar wahr. Ruben warf ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu, der verriet, dass er ähnliche Gedanken hegte. …
nicht, als ich die Hand in den Beutel steckte; nicht, als ich das erste Wild erlegte; nicht, als ich nach Manaus ging. Nun erst
.
Der harte Zug, der stets über seinen Augen gelegen hatte, war gemildert. Ganz sicher sann er, wie sie, über das Ereignis nach, während er den Tontopf ergriff, den er sich eben von Yami erbeten hatte.
«Ich kenne dich von jenem Europaausflug», sagte er. «Du hast mir Essen übergeschüttet.»
Sie musste einen Augenblick überlegen, wovon er sprach. «Du meinst … damals? Die Affaire Sauciere, so nannte es mein Vater. Ich habe mich immer gefragt, ob du dich wohl an mich erinnern würdest.»
Seine Hand ruhte auf dem Deckel. «Je weiter die Erinnerungen zurückreichen, desto spärlicher werden sie. Man weiß vielleicht nicht mehr, wie man als kleines Kind zugegen war, als ein Affe einen Menschen erschlug. Doch man erinnert sich, später aus dem Schädel des erlegten Affen gegessen zu haben. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich zwei Menschen an eine gemeinsame
unbedeutende
Begebenheit erinnern, die so lange zurückliegt. Wir glauben, dass sie auf immer zusammengehören, wenn das der Fall ist.»
«Du sprichst, als hättest du gewusst, dass ich mich erinnere.»
«Nein.» Er lächelte. «Ich wusste es nicht.»
Er hob den Deckel und hielt ihn ihr entgegen. Tief sog sie den Duft des
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