Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
freundlich von ihm.»
    Er tat es. Rendapu sprach weiter, und Ruben wandte sich ihr zu: «Er sagt, du hast den Geist dessen, was in der Zukunft kommt. Das macht dich sehr mächtig.»
    Sein eigentümlicher Blick verwirrte sie. Sanft nötigte er sie wieder zum Gehen. Draußen auf dem Platz drehte er sie an den Schultern zu sich.
    «Er sagte noch mehr. Dass du als einzige Frau einen Geist in dir hast. Gewöhnlich sind die Frauen nur vom Geist des Otters durchdrungen, wenn sie bluten. Du aber hast einen Geist in dir, der den des Otters in die Flucht schlägt.»
    Er wirkte so stolz auf sie, dass sie nicht sagen mochte, sein Geisterglaube sei Unsinn. Tiacca umkreiste sie beide, lauernd und angespannt. Amely drückte den Geigenkasten fest an sich, wie einen Schild.
    «Aguy», knurrte Tiacca in sich hinein. Dann rannte sie die Baumstufen hinauf. Amely atmete auf. So weit war sie des Indianischen bereits mächtig, um zu verstehen, dass sich die Jägerin bedankt hatte.
     
    Es war eines der farbenprächtigsten Tiere, das sie je im Urwald gesehen hatte. Und sie hatte viel gesehen: die wie Edelsteine glänzenden, gesprenkelten Frösche, die sich die Yayasacu für ihre Pfeilgifte hielten. Gottesanbeterinnen, scheinbar aus Jade gehauen, metallen glänzende Schildkäfer, Schmetterlinge mit verwirrenden Mustern. Beim Fischertukan jedoch mochte man glauben, der allmächtige Gott habe ihn aus reiner Lust an seiner Schaffenskraft mit seiner ganzen Farbpalette beworfen. In dunklem Blau glänzte das Gefieder; der gelbe Brustlatz erinnerte an eine reife Zitrone, und der Schnabel war ein Gemälde aus grünen, roten, orangefarbenen, blauen, gelben und violetten Tönen. Amely wagte nicht, den schrägen Baumstamm weiter hinaufzukriechen, aus Furcht, dieses wie der Phantasie eines Künstlers entsprungene Tier zu verscheuchen. Der Tukan legte den Kopf schräg und beäugte sie neugierig aus türkisfarben umrandeten Knopfaugen. Ein zweiter tauchte aus dem Blattwerk auf. Ein dritter. Nervös über das Eindringen der Menschen in ihren Lebensraum hüpften sie auf ihren hellblauen Füßen auf und ab. Mit ohrenbetäubendem
krk-krk
erhoben sie sich flügelschlagend und rauschten über Amely hinweg.
    Weiter kroch sie hinauf, immer auf Spinnen und Schlangen achtend. Eine dunkelblaue Feder, wie mit Tinte übergossen, hing in der Rinde. Sie schob sie sich unter den Stoffstreifen, der ihre Brust bedeckte. In Gedanken sah sie die prächtige Tukanfeder schon an Rubens Haar hängen. Er stand unter ihr, nur wenige Schritte entfernt, strich sich das Haar hinter das versehrte Ohr und mühte sich, zu lauschen. Anders als die wie in Stein erstarrten Pytumby und Ku’asa drehte er dabei ständig den Kopf hin und her. Ku’asa legte die geschlossenen Hände an den Mund und stieß einen harmlos klingenden Pfiff aus. Im Gebüsch weiter vorne raschelte es. Amely presste noch fester die Schenkel zusammen, die sie um einen dicken Ast gelegt hatte. Die Männer hatten sie hier heraufgeschickt, als ihr Beutezug nach harmlosen Faultieren und Gürteltieren jäh unterbrochen worden war. Männer eines fremden Stammes waren ins Dorf eingedrungen, hatten zwei Frauen geraubt und bei ihrem Abzug den Weg der kleinen Jagdgesellschaft gekreuzt. Nun hoben die drei Yayasacu ihre Bogen und zogen die gefiederten Pfeilenden an ihre Wangen. Die Durchschlagskraft dieser aus Paodacoholz gefertigten Bogen war ungeheuer; sie zu spannen, ein gewaltiger Kraftakt. Amely konnte sehen, wie das Holz in den Händen der Männer zu vibrieren begann – der richtige Augenblick zum Abschuss. Trotzdem schien noch eine Ewigkeit zu vergehen, während der die Männer wie Statuen standen. Als sie die Sehnen losließen, zuckte Amely zusammen. Irgendwo erklangen Schmerzensschreie. Und das triumphierende Geheul der befreiten Frauen. Brüllend stürzten die Männer durch das Gebüsch und kehrten mit blutigen Trophäen zurück.
    Die eigentliche Jagd war vergessen. Stattdessen zog man ins Dorf, ließ sich gebührend feiern und widmete sich der Schrumpfkopfherstellung. Dazu trennten die entführten Frauen mit sichtlichem Vergnügen die Haut mitsamt Haaren von den Schädeln der Opfer, kochten sie und füllten sie mit heißer Asche. Die zugenähten Häute wurden an ein Gestell gehängt und geräuchert. Amely war nur froh, hier nicht mitarbeiten zu müssen. Sie half anderen Frauen, gestampften Maniokbrei in ein mannshohes Behältnis aus Palmfasern zu füllen und an einen Ast des Häuptlingsbaums zu hängen. Der nasse

Weitere Kostenlose Bücher