Die Bucht des grünen Mondes
zu. «Du willst doch nicht bis zum Morgengrauen hier herumstehen? Nun komm», er zog sie mit seinen wuchtigen Händen an sich. Sein Atem roch nach Zahnsalz. Durch die Röcke konnte sie seine Erregung spüren. Er würde sie hier unten nehmen, notfalls auf dem Esstisch, wenn sie nicht endlich folgte. Nun, es war ihr gleich, wo er ihr Schmerzen bereitete.
«Bist du unzufrieden mit deinen Geschenken?», fragte er zwischen zwei nassen Küssen. «Wenn du noch irgendetwas haben möchtest, sag’s nur, Amely-Liebes.»
Was könnte ich schon wollen, ich habe alles, und nenn mich nicht Amely-Liebes
.
Sie versuchte sich weich in seinen Armen zu machen. «Hättest du etwas dagegen, wenn ich eine Indianerin von der Straße hole?» Er erstarrte. «So, wie es Herr da Silva mit diesem Stallarbeiter gemacht hat», fügte sie rasch hinzu.
An ihren Schultern hielt er sie auf Abstand. Sein haltloses Gelächter dröhnte in ihren Ohren. «Dieses lächerliche Bedürfnis vornehmer Damen, irgendein gutes Werk zu tun, um das Gewissen zu beruhigen, hat dich noch nicht verlassen? Du hast diese Indiofrau aber nicht schon hinter deinen Röcken versteckt, nein?»
Nein.
Diese
Frau würde sie ohnehin nicht wiederfinden. Aber man stolperte ja täglich über andere. Kilian hatte recht, es war eine lächerliche Idee.
«Die meisten unserer Bediensteten stammen aus ärmlichen Verhältnissen. Ich bin kein Unmensch und füttere schon mal einen Arbeiter durch, den wir eigentlich nicht brauchen.» Er ging zum Tisch, klappte eines der Zigarrenkästchen auf, biss das Ende einer Zigarre ab und schob sie sich zwischen die Lippen. Beiläufig sah er sich nach Streichhölzern um. Ebenso beiläufig nahm er einen herumliegenden Geldschein, faltete ihn und hielt ihn an die Kerze, bis er brannte. Mit dem brennenden Schein zündete er sich die Zigarre an und warf den glimmenden Rest achtlos in einen Aschenbecher. «Mir kommt kein Indio ins Haus. Sie sind verschlagen, sie stehlen, und hässlich sind sie auch. So viel kannst du denen in der Küche gar nicht geben, dass aus so einem jemals etwas anderes als eine dürre Elendsgestalt wird.»
«Aber das stimmt nicht! Ich habe Humboldts Buch gelesen. Man muss sich ja nur einmal die Illustrationen ansehen. Aber du hast nie hineingeschaut, oder?»
«Was weiß denn ich, was ich so alles in der Bibliothek habe. Diesen romantischen Unsinn habe ich jedenfalls nicht gelesen.» Er kam wieder auf sie zu. Sie wusste nicht, was sie mehr abstieß – der erwartungsvolle Blick, der an ihr hinabwanderte, oder das, was er soeben getan hatte.
«Die Indianer, die wir in den Straßen sehen, die waren nicht immer so.»
«Hör auf zu bohren wie ein kleines Kind, Amely. Mir kommt kein Indio ins Haus.»
«Es ist nicht recht, so in Saus und Braus zu leben, auf dem Rücken dieser Leute.»
«Amely, nun ist’s aber gut.»
«Ich verstehe ja, dass du sie hasst, weil sie deinen …» O Gott, nein. Sie ging zu weit. «Entschuldige. Ich mache mich bettfertig.»
Sie wandte sich ab, raffte ihr Kleid, um auf die Treppe zuzueilen. Kilian packte sie an der Schulter und drehte sie zu sich herum. Schneller als sie begriff, was geschah, landete seine Hand auf ihrem Hinterkopf. Ihr knickten die Knie ein. Doch er hielt sie an den Schultern aufrecht und schüttelte sie. «Ich sagte dir, dass du niemals –
niemals
– von meinen Söhnen sprechen sollst!»
Der nächste Hieb ließ sie schwindeln. Sie sehnte sich danach, einfach zu fallen, aber er schaffte es mühelos, sie zu halten und gleichzeitig auf sie einzuschlagen.
Bittend hob sie eine Hand.
«Was?», brüllte er. «Willst du etwa wieder sagen, du seist in guter Hoffnung? Aber nein, das passiert ja anscheinend nicht mehr!»
Endlich stieß er sie von sich. Amely taumelte gegen einen Stuhl und sackte darauf nieder. Sie musste sich am Beistelltischchen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. «Es tut mir leid», wimmerte sie, sich fahrig betastend. Ihr Kopf tat weh, aber ihr Gesicht war unverletzt. Warum hatte er dieses Mal darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen? Wegen der Premiere, fand sie sogleich die Antwort. Sie sollte glänzen wie das polierte Messing des Automobils.
«Was muss ich tun, dass du begreifst?», fragte er schwer schnaufend.
Sie starrte auf die fallen gelassene Zigarre, die soeben ein Loch in den Teppich brannte. «Mir endlich erklären, weshalb du deine Erinnerung aus deinem Leben tilgst», flüsterte sie. «Ich bin doch deine Frau.»
Die einen anderen
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