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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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beklagte sich über ihn, weil er ständig unter fadenscheinigen Gründen in die Küche kam, um eine Flasche Gin zu ergattern. Diese Frau machte dagegen trotz ihrer Bettelei einen anständigen Eindruck. Aber sie, Amely, wagte es ja nicht einmal, sie heranzuwinken, um ihr ein paar Réis zu geben. Kilian wäre außer sich, brächte sie eine Indiofrau mit nach Hause. Er würde sagen, bald sei Weihnachten vorbei, und dann gäbe sich ihr übertriebenes Mitleid wieder.
    Frau Ferreira hatte eine Stiftung für gefallene Indianermädchen gegründet. Auch spendete sie eine monatliche Unterstützung an einige ausgewählte Familien. Damit schien das Gewissen der extravaganten Dame beruhigt, und sie sprach nie vom Elend der Ureinwohner. Vielleicht musste man als reiche Frau so handeln. Weil der Reichtum nichts weiter als ein Haufen Geschenke war, mit denen man seine Zeit vertreiben, aber sonst nichts anfangen konnte. War sie, Amely, mit dem Geld, das Kilian ihr zur freien Verfügung gab, im Grunde nicht auch eine Bettlerin?
    Er hatte angekündigt, ihr ein großartiges Weihnachtsgeschenk zu machen, das alles Bisherige in den Schatten stellen würde.
    Sie wusste jetzt schon, dass sie es nicht wollte.
    Dass Weihnachten vor der Tür stand, merkte man der Stadt nicht an. In manchen Fenstern hing bunter Holzschmuck. Aber Amely war sich gar nicht so sicher, ob der nicht doch eher heidnisch war, wie die merkwürdigen Dinge, die sich dank Maria hier und da im Haus fanden. Statt Sternen aus Stanniolpapier hatte die Negerin reichlich Blumenschmuck verteilt. So machte man es in Brasilien. Amely fand es unbefriedigend. Ihrem Gefühl nach gehörten Blumen in die warme Jahreszeit. Tannenbäume, Holzfigürchen aus dem Erzgebirge, das Wandern im knirschenden Schnee über weihnachtliche Märkte. Ein knisternder Ofen, während eiskalter Wind an den Fensterläden rüttelte …
    Ein ohrenbetäubender Knall ließ sie zusammenfahren. Die Glasscheibe der Tür barst. Splitter flogen durch den Raum. Eine Tischvase war plötzlich entzwei. Die Dame, die an jenem Tisch saß, sank in Ohnmacht; ihr Begleiter geleitete sie mit Hilfe des Lokalbesitzers an einen anderen Tisch. Die Affen stoben kreischend umher. Draußen gab es ein Gerenne und Geschrei. Da hatte sich wohl ein Dieb einer Pistole bemächtigt und sie an Ort und Stelle ausprobiert, wie der Herr hinter der Zeitung belustigt mutmaßte, ohne sich sonderlich um die Aufregung zu scheren. Oder, so die Kellnerin, die ebenso ruhig für seinen Nachschub an Gin sorgte, man habe wieder einmal einen Kautschukschmuggler erwischt.
    «Komm, wir gehen», sagte Amely.
    «Nee, da geh ick nich’ raus!» Aus Bärbels Gesicht war alle Farbe gewichen. Amely wollte sich erheben; da kam einer ihrer beiden Leibwächter herein und erklärte, dass sie noch warten solle, bis sich die Situation beruhigt habe.
    «Das ist ja wirklich ein schönes Ende unseres Stadtbummels», seufzte sie.
    «Der hat mir sowieso nicht gefallen. Verzeihung, Frollein. Darf ich mir noch eine Limonade bestellen?»
    Gut, die Szene in der Kathedrale Matriz de Nossa Senhora da Conceição hatte auch Amely befremdlich gefunden. Jedermann ging dort hinein, um sich abzukühlen und auszuruhen. Dass man dort auch seinen Geschäften nachging, die in Prügeleien mündeten, damit hatte sie nicht gerechnet. Auf der Uferpromenade hatten sie sich in einem Pulk von Bettlern wiedergefunden, die schreiend an ihren Röcken gezerrt hatten. Eine Szene wie aus dem Mittelalter! Erst als die beiden Leibwächter, ohne die Amely nicht in die Stadt gehen durfte, ihre Stöcke hatten sausen lassen, war der Spuk so schnell vorbei gewesen, wie er gekommen war. Und der Fischmarkt war wirklich seltsam! Da hatte man ein wunderschönes, zierliches gusseisernes Gebäude errichtet, eigens entworfen von Gustave Eiffel, nur um darin blutige Fische zu stapeln.
    Natürlich waren sie auch über den Opernplatz gelaufen. Das Baugerüst war fort. Alles glänzte und blinkte und wartete auf den großen Abend. Überall in den Straßen hingen Plakate.
La Gioconda
. Amelys Herz schlug, wenn sie nur daran dachte.
    Trotz allem …
    Wenn es so weit war, würde alles besser werden. Sie wusste nicht, was sie dies glauben ließ. Aber sie wollte es glauben. So oft, wie Kilian von diesem Abend sprach, spürte sie, wie auch er seine Hoffnung dareinsetzte. Erst gestern hatte er wieder von dem Teatro geschwärmt. Hatte ihrem Geigenspiel gelauscht. Ihr wieder einmal ein großes Geschenk gemacht, einen Spider

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