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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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geküsst hat
. Sollte er das je erfahren, schlüge er sie tot.
    «Du bist meine Frau, und du bist eine einzige Enttäuschung. Dein Vater hat mich eingewickelt, weil er mein Geld wollte, und ich Narr habe mich blenden lassen von deiner hübschen Photographie.»
    «Und du – du bist feige, dass du deiner Vergangenheit ausweichst.» Welcher Irrsinn brachte sie dazu, so etwas zu sagen? Schlimmer noch, sein Geschenk, die Inkakette, von ihrem Hals zu reißen und ihm vor die Füße zu werfen?
    «Unglücksrabe!» Er bewegte seine massige Gestalt schnell. Schon war er über ihr und schlug auf sie ein, dass sie zu Boden sackte. «Ich hätte dich – lassen sollen – wo – du – warst!»
    Jedes Wort begleiteten Schläge. Oder Tritte? Amely versuchte von ihm fortzukriechen. Was er noch brüllte, verstand sie nicht. Ihr Blut rauschte ihr in den Ohren; sie glaubte sich inmitten des Getümmels der Straße, wo solche Gewalt herrschte. Ein eigenartig klarer Gedanke ging ihr durch den Kopf:
So fühlt es sich wohl an, wenn die Herren wütend sind, weil man nicht genügend Kautschuk zur Sammelstelle bringt
.
    Sie reckte sich. Kam wieder auf die Füße. Ihre Nägel fuhren durch sein Gesicht. Seine Hand ließ ihren Kopf hin und her fliegen. Es fehlte nicht viel, und er hätte ihren Goldtropfen herausgerissen.
Wir prügeln uns wie Arbeiter im Hafen
. Eine andere Stimme hallte durch den Salon. Maria. Amely sah sie fassungslos an der Treppe stehen. Noch mehr des Gesindes kam herbei. Bärbel war schreckensbleich.
    Wenn nur auch Felipe käme. Und sie ihm entrisse.
    «Bitte, Senhora Wittstock.» Herr Oliveira. «Bitte!»
    An den Schultern zog er sie von Kilian fort und drehte sie zu sich um. Er war im Pyjama, darüber ein nachlässig verschnürter seidener Hausmantel. Der Gedanke, dass es eigentlich eines Hausbrandes bedurft hätte, ihn so zu Gesicht zu bekommen, ließ sie auflachen.
    Der wohltuende Rausch verebbte. Schwer atmete sie ein und aus. Sie wollte ihn fragen, weshalb er seine Bitte nicht vielmehr an Kilian richtete. Aber ihre Kraft schwand. Drei Tage, so glaubte sie, hätte sie jetzt niedersinken und schlafen können. Es war doch sowieso ein Traum gewesen?
    In dem lastenden Schweigen klangen Kilians Schritte noch schwerer als sonst. Er stapfte die Treppe hinauf und brüllte; Glas ging zu Bruch. Wieder Schritte. Etwas polterte die Wendeltreppe herab.
    Es war ein sanftes Geräusch, mit dem es brach. Amely rannte zur Treppe. Ihre Amati-Geige. Sie hob sie auf. Das einzige seiner Geschenke, das sie je geliebt hatte. Das sie bekommen hatte zu einer Zeit, als sie voller Hoffnung gewesen war, Kilian mögen zu können. Das war doch gar nicht so lange her?
    «Kilian, ich gehe nicht zur Premiere», rief sie.
    Er kam wieder herunter. Blieb einige Stufen über ihr stehen. «Oh doch, du wirst.»
    «Nein. Mir macht das keine Freude mehr.»
    «Du wirst.»
    «Ich sehe bestimmt ganz schrecklich aus; was sollen denn die Leute denken? Bitte, Kilian.» O nein, wieder diese Unterwürfigkeit; konnte sie die denn niemals ablegen? Aber die Angst war stärker. Warum nur hatte sie nicht den Mund gehalten? Wenn Maria oder Herr Oliveira es nicht geschafft hatten, zu seinem verhärteten Herzen vorzudringen, dann sie erst recht nicht.
    «Dir liegen doch die Indios so am Herzen? Ich lasse hundert von ihnen aufhängen, wenn du nicht endlich friedlich bist. Und jetzt komm zu Bett.»
    Amely legte die Geige zurück. Sie raffte ihr Kleid und stieg die Stufen hoch. Hinter sich hörte sie Maria aufschluchzen.

10. Kapitel
    Zwölf Jahre alt war sie gewesen, als sie an der Hand des Vaters zum ersten Mal die Welt der Oper betreten hatte. Danach war sie noch oft in der Hofoper Unter den Linden gewesen. Doch nichts hatte sie in ihrer Backfischzeit so sehr träumen lassen wie die Liebesgeschichte zwischen dem genuesischen Fürst Enzo und seiner venezianischen Geliebten Laura. Nichts hatte je den Edelmut der Sängerin Giaconda übertroffen, nichts die Boshaftigkeit des Inquisitors Alvise Badoeros und die Verschlagenheit seines Spitzels Barnabas. Die Geschichte um das Liebespaar, das Intrigen und Mordanschlägen trotzt, schlug Amely auch heute in ihren Bann. …
und mein Lieben, es gleicht dem des Löwen, wenn er dürstet nach dem Blut der Beute …
Lautlos sang sie die Zeilen mit, wiegte sich leicht mit den Melodien.
    Träumerin
.
    Auf der Bühne starb Gioconda den Heldentod durch eigene Hand. Sie hatte dafür gesorgt, dass die Liebenden sich fanden und flüchten

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