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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Phaeton, wie ihn die Frau Ferreira hatte. Eine Kutsche, die von einer Frau gelenkt wurde, fand Amely fast ein bisschen skandalös. Doch über solche Bedenken hatte Kilian nur gelacht. Und sie in den Arm genommen.
    Mein kleines schüchternes Amely-Liebes.
    Eine Stunde verging. Zwei. Was war dort draußen nur los?
    Sie träumte, den Amazonas hinunterzufahren. Nein, besser noch, sie lenkte ihr Schiff ganz allein. Bis zur Küste. Hinaus auf den Ozean, hinein in einen gewaltigen Sturm. Hinab in die kalte Tiefe. Kilian würde endlich begreifen, dass er sie nicht wie einen Gegenstand hätte herumschubsen dürfen. Den man hinwarf und wieder aufhob und putzte und wieder hinwarf …
    Aber vielleicht kam ihr ja vorher ein kleines Dampfboot mit einem Abenteurer entgegengeschippert. Da Silva läge auf der Hängematte an Deck, eine Hand locker am Steuerrad. Er würde den Hut zurückschieben, die Augen öffnen und sie sehen … Und tatsächlich hatte sie auch in der Stadt ständig nach ihm Ausschau gehalten. Wie unsinnig! Er war ja gemeinsam mit Kilian auf einem von dessen Schiffen nach Norden aufgebrochen.
    «Bärbel, willst du nicht nachsehen, ob wir gehen können?»
    «Ich? Frollein!»
    Die Türglocke ertönte. Amely hoffte auf das Erscheinen ihrer Leibwache. Sie schluckte, als da Silva sich vor ihrem Tisch aufbaute und den Hut lüpfte.
    «Sie sind zurück?», krächzte sie. So vollkommen sicher war sie sich noch nicht, dass sie jetzt nicht träumte.
    «Ja, seit heute Mittag.»
    «Und … und da haben Sie sich überlegt, gleich nachzuprüfen, ob ich nicht wieder in Schwierigkeiten bin, wie damals im Postamt?»
    Er setzte sich zu ihr an den Tisch und warf ein Bein über das andere. Seine Finger spielten wie üblich mit einem zerknautschten Zigarettenpäckchen. Das alles war unwirklich. Ganz und gar unwirklich.
    «Nein. Miguel kam und sagte, dass Sie hier festsitzen.»
    Den Bengel hatte sie vorhin nach der Kalesche geschickt, die in irgendeiner Seitenstraße wartete. «Es gab eine Schießerei …»
    «Ich sagte ja, so etwas kommt vor. Nun, es ist Ihre erste in drei Monaten – das kann man durchaus eine friedliche Zeit nennen.»
    Ach, diese Arroganz! Ihre Finger waren feucht. Nervös strich sie sich eine Strähne aus der Stirn. «Wie geht der Eisenbahnbau voran?», fragte sie, krampfhaft um Worte bemüht. Wenn nur dieser scheußliche Bluterguss an der Wange nicht zu sehen wäre. Bei dieser Hitze hielt Schminke ja nicht lange genug.
    «Gut.»
    Sie hob die Brauen. «So antwortet man einer Dame, die man mit einem derartigen Thema nicht behelligen will. Aber schließlich haben Sie nicht gezögert, mir das wilde Manaus am Hafen zu zeigen. Nun?»
    «Der Hafen ist friedlich wie eine Ihrer Soireen, im Vergleich zu dem, was auf der Baustelle geschieht. Sie wollen keine Einzelheiten hören.»
    «Wie viele Indianerleben hat der Bau bisher gekostet?»
    «Viele.»
    «Sagen Sie mir eine Zahl.»
    «Das kann ich nicht.»
    Amely bemerkte, wie Bärbels Blick erstaunt zwischen ihnen hin- und herflog. Sie wusste selbst nicht, was sie ritt, solche Fragen zu stellen. Wo mochte die Bettlerin sein? Die Indiofrau hatte das Café längst verlassen. Vielleicht war sie draußen verletzt worden. Oder von der Miliz fortgeschleift, nur weil sie im Weg gewesen war. Vielleicht war sie einfach weitergeschlurft, nur um anderswo unter die Räder zu geraten. «Im
Jornal do Manaos
habe ich gelesen, dass eine Tonne Kautschuk ein Menschenleben kostet …»
    «Und Sie sitzen hier, schleppen Gold im Mund mit sich herum – es sieht übrigens reizend aus – und lassen es sich gutgehen, das denken Sie doch.»
    «Ja.»
    Amely wartete, dass er sich über den Tisch neigte, ihre Hand tätschelte und irgendetwas Beschwichtigendes sagte. Kilian hätte es getan. Da Silva jedoch schwieg nachdenklich.
Tun Sie doch etwas dagegen
, wollte sie sagen.
Sie haben vielleicht kein Geld, aber Macht. Wesentlich mehr Macht als ich. Und Sie wissen, wie es ist, unterdrückt zu werden
.
    Wenn er ihre Hand doch nur berührte …
    Ein Affe sprang auf den Nebentisch. Seine Krallen fuhren in das Gebäck auf dem Teller einer Dame. Unter dem Gelächter der Anwesenden hoppelte er mit seiner Beute in eine Ecke, wo er sie nervös zuckend zu verzehren begann. Da Silva grinste. Bärbel klagte, sie wolle endlich gehen.
    «Warten Sie, ich hole die Kutsche und fahre sie am Hinterausgang vor», sagte er und war schon draußen. Es dauerte nicht lange, da kehrte er durch die rückwärtige Tür zurück

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