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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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und winkte ihr. Amely gab der Kellnerin rasch einige Réis. Im düsteren Korridor spürte sie seine Hand. Sie überquerten einen sonnendurchfluteten Innenhof. Gerieten wieder auf einen dunklen Gang. Und dann, in der schattigsten Ecke, zog er sie an sich. Sein Kuss war hart. Sie wollte tun, was ihre Pflicht war: ihn schlagen und schimpfen. Doch ihr Mund war weich.
Nur dieses eine Mal
, dachte sie. Ihre Finger krampften sich um seinen Hemdkragen, damit er sie nicht gleich wieder losließ.
Nur ein Mal
.
    «Frollein, wo sind Sie?», rief Bärbel hinter ihr. «Hier sieht man ja kaum die Hand vor Augen!»
    Amely stieß sich von da Silva weg und rannte. Das gleißende Licht der Straße blendete sie. Miguel stand bei der Kutsche und öffnete ihr den Schlag. Sie sprang hinein und drehte sich zur Seite, damit niemand ihre Verwirrung sah.
     
    Kilian lief um den Motorwagen herum, berührte die geöffnete Klappe der Motorabdeckung, das schwarzlackierte Gehäuse, die dunkelbraunen Lederpolster, Karbidlampen hinter Glas, Griffe und Rädchen aus Messing und eine kleine Tröte, der er hässliche Geräusche entlockte. Selbstzufrieden strich er sich über den Bart.
    «Mein Weihnachtsgeschenk für dich», verkündete er. Die Dienerschaft, die ins Kutschenhaus gerufen worden war, um das Gefährt zu bewundern, klatschte begeistert. Nur da Silva nicht, der Pedro am Kragen von der Kraftdroschke fortzog, die dieser mit seinen schmierigen Fingern hatte betasten wollen. Kurzerhand beförderte er ihn vors Tor.
    «Der Benz Velo kam mit einem Brief von deinem ehrenwerten Herrn Vater», Kilian zog ein Schreiben aus der Westentasche und reichte es ihr. Es war an sie adressiert, jedoch geöffnet. Amely entfaltete das Büttenpapier. Ihr Vater schrieb vom Gedeihen der Firma, dass es ihm gutgehe und alles in Berlin zum Besten stehe. Das nächste Automobil, das zu Kilian über den großen Teich solle, werde aus seiner Werkstatt sein, verkündete er; seine Euphorie sprang förmlich aus den Zeilen. Doch kein Wort über Julius, kein Gruß von ihm. Weihnachtliche Segenswünsche folgten.
    … Dein Dich liebender Vater
.
    «Freust du dich?», fragte Kilian.
    «Ja», log sie. «Aber was soll ich denn mit einem Automobil? Selbst wenn es mir gelänge, es zu bedienen – wie soll ich damit durch die Straßen kommen? Die Leute werden glotzen und mir den Weg versperren.»
    Er hatte sich neben eines der Räder gekniet und betastete zärtlich die Gummireifen. Sein Lachen dröhnte durchs Kutschenhaus. «Du kannst es gerne probieren, aber ich glaube, für Frauen ist das nichts. Nein», er richtete sich auf und klopfte den Staub von den Hosenbeinen. Seine Hand legte sich um den lederumwickelten Griff einer der beiden Stangen, die aus dem Boden der Kraftdroschke ragten wie antike Schwerter. «Ich werde mich selber mit dem Gefährt vertraut machen. Es ist noch eine gute Woche bis zum Premierenabend. Dann sind auch die Straßen ziemlich frei. Das Volk ist ja am Fluss, um das neue Jahr mit heidnischen Bräuchen zu begrüßen. Irgendwo habe ich doch hier eine Gebrauchsanweisung gesehen …»
    Die Musik bedeutete ihm nichts. Nur der erste unter den Kautschukbaronen wollte er sein. Mit aller Macht unterdrückte Amely den Impuls, zu da Silva hinüberzustarren.
     
    Eine weitere Feier, ein weiteres pompöses Mahl. Lediglich den Besuch der Mitternachtsmette und die anschließende Prozession durch die mit Lampions erhellten Straßen hatte Amely als weihnachtlich empfunden. Und die Geschenke. Bei dem Benz Velo war es nicht geblieben; am Abend hatte Kilian ihr ein Halsband aus Gold und Rubinen um den Hals gelegt. Es war im Stil der Inka gefertigt und passte zu keiner Garderobe. Frau Malva Ferreira hätte wahrscheinlich genau dieser Umstand gefallen.
    «Komm zu Bett, Amely-Liebes», rief er von der Wendeltreppe herunter. Amely blickte auf die Kaminuhr. Es ging auf halb drei zu. Er wollte tatsächlich zu dieser späten Uhrzeit mit ihr schlafen. Alle hatten den Salon verlassen, nur sie stand noch sinnlos herum. Sie nahm sich vor, ihm jetzt zu gefallen. Das schlechte Gewissen gebot es ihr. Außerdem hatte sie ihm kein rechtes Geschenk machen können. Was schenkte man einem, der alles hatte? Dessen Steckenpferde Kautschuk und Konquistadorenhelme in der Vitrine waren? Schließlich hatte ihr Herr Oliveira die Bürde abgenommen und die englische Kaminuhr besorgt.
    Sie wollte zum Tisch eilen, um die letzte Kerze zu löschen. Die Wendeltreppe knarrte. Im seidenen Pyjama kam Kilian auf sie

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