Die Buecher und das Paradies
mein Haus einzubrechen und diese meine Jugendschriften zu finden. Natürlich scherze ich, aber ich will damit sagen, daß man manchmal an den Zeitgeist glauben muß. In jedem Fall, Sie werden’s nicht glauben, sind Calvinos Cosmicomics besser als meine.
Schließlich gibt es Themen, die vielen Autoren gemeinsam sind, weil sie gewissermaßen direkt aus der
Wirklichkeit kommen. Ich erinnere mich zum Beispiel, wie viele Leute nach dem Erscheinen des Namens der Rose andere Bücher fanden, in denen eine Abtei in Flammen aufging, von denen ich viele niemals gelesen hatte. Und niemand hat bedacht, daß es im Mittelalter erste Pflicht der Abteien wie auch der Kathedralen war, in Flammen aufzugehen.
Ohne mich allzu streng an mein Schema zu halten, möchte ich nun versuchen, meine Triade der Intentionen -intentio auctoris, intentio operis, intentio lectoris 3 - um die intentio intertextualitatis zu erweitern, die in diesem Zusammenhang eine gewisse Rolle spielen müßte. Erlauben Sie mir, erneut in ungeordneter Weise über drei Arten von Beziehung zu Borges zu reflektieren: die Fälle, in denen ich mir seines Einflusses sehr bewußt war, die Fälle, ich denen ich mir seines Einflusses nicht bewußt war, aber dann von den Lesern (darunter von Ihnen während dieser Tage) gezwungen wurde, einen unbewußten Einfluß anzuerkennen, und c) die Fälle, in denen man, wenn man nicht per Dreieck auf frühere Quellen und das Universum der Intertextualität zurückgeht, dazu verleitet werden kann, etwas für eine bipolare oder direkte Beeinflussung zu halten, was in Wirklichkeit eine tripolare oder mittelbare Beeinflussung ist und die Schulden betrifft, die Borges beim Universum der Kultur hatte, so daß man nicht Borges zuschreiben kann, was er immer stolz als seine Entnahmen aus der allgemeinen Kultur deklariert hatte. Nicht zufällig haben wir ihn ja gestern einen »deliranten Archivar« genannt, und Borges’ Delirium kann es nicht ohne das Archiv geben, an und in
dem er gearbeitet hat. Ich glaube, wenn man zu ihm gesagt hätte: »Das-und-das hast du erfunden«, hätte er
geantwortet: »Nein, nein! Das war schon vorher da.« Und er hätte sich stolz jenen Satz von Pascal zu eigen gemacht, den ich als Motto meinem Trattato di semiotica generale A vorangestellt habe: »Man sage nicht, ich hätte nichts Neues gesagt: Die Anordnung des Stoffes ist neu.«
Dies sage ich nicht, um meine Schulden zu verleugnen, die zahlreich sind, sondern um Sie und uns auf ein Prinzip zurückzuführen, das meiner Ansicht nach grundlegend ist, sowohl für alle, die an diesem Kongreß teilgenommen haben, ganz sicher für mich, als auch ohne Zweifel für Borges: Das Wichtigste ist, daß die Bücher miteinander sprechen.
1955 kamen die Ficciones in Italien unter dem Titel La biblioteca di Babele bei Einaudi heraus. Das Buch war dem Verlag von Sergio Solmi vorgeschlagen worden, einem großen Dichter, den ich sehr mochte, auch wegen eines Essays über Science-fiction als Modalität des Phantastischen, den er einige Jahre zuvor geschrieben hatte. Hier können Sie sehen, wie der Zeitgeist spielt: Solmi entdeckt Borges, während er nordamerikanische Science-fiction-Autoren liest, die (womöglich ohne sich dessen bewußt zu sein) in der Tradition des utopischen Erzählens schreiben, die im 17. - 18. Jahrhundert beginnt. Vergessen wir nicht, daß Bischof Wilkins neben seinem Essay towards a Real Character auch ein Buch über die Bewohner des Mondes geschrieben hat, mithin ist auch er wie Godwin und viele andere bereits durch andere Welten gereist. Ich glaube, es war 1956 oder 57, daß Solmi mir eines Abends, während wir über die Piazza del Duomo gingen, sagte:
»Dieses Buch habe ich Einaudi empfohlen, wir haben keine fünfhundert Stück davon verkaufen können. Lesen Sie es, es ist sehr schön.« So kam es, daß ich mich das erste Mal in Borges verliebte, und ich erinnere mich, wie ich als einziger Besitzer eines Exemplars mit dem Buch zu Freunden ging, um ihnen Abschnitte aus dem »Pierre Menard« vorzulesen.
Zu jener Zeit hatte ich gerade begonnen, jene Parodien zu schreiben, die dann als Diario minimo 8 erscheinen sollten. Ausgehend wovon? Vielleicht war der stärkste Einfluß der des Proust der Pastiches et mélanges gewesen (so sehr, daß ich Jahrzehnte später, als Diario minimo in Frankreich herauskam, dafür den Titel Pastiches et postiches gewählt habe). Aber ich weiß noch, daß ich 1963, als das Büchlein erscheinen sollte, bei der Suche
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