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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Fra Dolcino Margherita hieß, genau wie die Lebensgefährtin des Rote-Brigaden-Gründers Renato Curcio. Das Modell Menard funktionierte, und zwar bei vollem Bewußtsein, denn ich wußte, als ich den Namen der Gefährtin Fra Dolcinos hinschrieb, daß die Leser denken würden, ich hätte an die Gefährtin von Curcio gedacht.
    Nach dem »Modell Menard« möchte ich nun über das »Modell Averroes« sprechen. Die Erzählung von Averroes und dem Theater 10 ist ebenfalls eine von denen, die mich immer fasziniert haben. So geht der einzige Aufsatz über Semiotik des Theaters, den ich jemals geschrieben habe, genau von dieser Erzählung aus. 8 Was ist das Außerordentliche an ihr? Es ist die Tatsache, daß der von Borges geschilderte Averroes dumm ist, nicht persönlich, sondern kulturell dumm, denn er hat die Wirklichkeit vor Augen (die spielenden Kinder) und ist unfähig, sie in eine Beziehung zu dem bringen, was er in einem Buch liest. Nebenbei gesagt, in diesen Tagen ist mir der Gedanke gekommen, daß die Situation von Averroes, auf die Spitze getrieben, jener Poetik der Verfremdung gleicht, von der die russischen Formalisten gesprochen haben:    der
    Methode, etwas so zu beschreiben, als ob man es zum ersten Mal sähe, so daß es dem Leser wie etwas Fremdes erscheint und er es nicht gleich erkennt. Man könnte nun sagen, in meinen Romanen drehe ich das »Modell Averroes« um: Der (kulturell dumme) Erzähler beschreibt häufig etwas, das er voller Staunen erblickt, ohne viel davon zu begreifen, während der Leser dazu gebracht wird, es zu verstehen. Mit anderen Worten, ich arbeite, um einen intelligenten Averroes zu erzeugen.
    Mag sein, daß dies, wie manche gesagt haben, einer der Gründe für die Beliebtheit meiner Romane ist: Ich betreibe das Gegenteil von Verfremdung, ich mache den Leser vertraut mit Dingen, die er noch nicht gekannt hat. Ich führe gewissermaßen einen Leser aus Texas, der noch nie in Europa war, in eine mittelalterliche Abtei (oder eine Templerburg oder ein Museum voll komplizierter Geräte oder einen barocken Salon) und lasse ihn sich darin wohl fühlen. Ich zeige einen mittelalterlichen Mönch, der mit größter Selbstverständlichkeit seine Brille aus der Kutte zieht, und schildere das Erstaunen seiner Zeitgenossen; der Leser versteht im ersten Moment nicht, warum sie staunen, aber dann begreift er, daß die Brille damals gerade erst erfunden worden ist, also noch ganz neu war. Dies ist kein Verfahren nach dem Vorbild von Borges, meine Technik ist ein »Anti-Averroes-Modell«, aber ohne das Vorbild von Borges hätte ich sie nicht entwickeln können.
    Dies sind die wahren Einflüsse, mehr als andere, die nur als solche erscheinen. Nehmen wir noch einmal das Thema der labyrinthischen Unordnung der Welt, das direkt von Borges zu kommen scheint. Aber ich habe es nicht bei ihm, sondern bei Joyce gefunden, außerdem auch und gerade in einigen mittelalterlichen Texten. Comenius schrieb sein Buch Das Labyrinth der Welt 1623, der Begriff des Labyrinths gehörte zur Ideologie des Manierismus und des Barock. Nicht zufällig hat dann in unserer Zeit, ausgehend von Comenius’ Idee, René Hocke seinem schönen Buch über den literarischen Manierismus den Titel Die Welt als Labyrinth gegeben. Aber damit nicht genug. Daß jede Klassifizierung des Universums zur Anlage eines Labyrinths - oder eines Gartens der Pfade, die sich verzweigen - führt, war eine Idee, die sich sowohl bei Leibniz findet als auch, sehr klar und explizit, in der Vorrede zur Encyclopédie von Diderot und d’Alembert. Dies dürften vermutlich auch die Quellen von Borges gewesen sein. Somit haben wir hier einen Fall, in dem nicht klar ist, auch mir selbst nicht, ob ich (B) durch die Lektüre von A auf X gestoßen bin oder ob ich zuerst einige Aspekte von X entdeckt und dann bemerkt habe, daß X auch A beeinflußt hat. Dennoch haben vermutlich die Labyrinthe von Borges für mich die vielen anderswo gefundenen Bezugnahmen auf Labyrinthe gebündelt und amalgamiert, so daß ich mich frage, ob ich den Namen der Rose ohne Borges hätte schreiben können. Freilich ist dies ein kontrafaktischer Konditionalsatz vom Typus »Hätte Napoleon in Waterloo gesiegt, wenn er eine somalische Frau gewesen wäre?«. Theoretisch betrachtet, nimmt man die Maschine von Pater Emanuele (ist doch in diesen Tagen auch mein Jesuit aus der Insel des vorigen Tages zitiert worden) und läßt sie mit voller Kraft rotieren, ist alles schon dagewesen: Bibliotheken gab

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