Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
von Borges erschien, vom Verlauf der Erzählung »Der Tod und der Kompaß« beeinflußt war, die mich zweifellos sehr beeindruckt hatte.
    Aber sehen Sie, wie kurios das Spiel der Einflüsse ist: Wenn mich jemand nach meinem Vorbild gefragt hätte, als ich die Szene der wechselseitigen Verführung zwischen Jorge und William entwarf, hätte ich gesagt, ich hätte dabei an Proust gedacht, und zwar an die Szene, in der Charlus versucht, Jupien zu verführen, und durch die Metapher einer um die Blume schwirrenden Biene beschrieben wird.
    Im übrigen hatte ich auch noch andere Vorbilder. Von zentraler Bedeutung war für mich zum Beispiel das Modell des Doktor Faustus, denn die Art, wie Adson als Greis die Geschichte wiedererlebt, indem er erzählt, wie er sie als Jüngling empfunden hat, war in gewisser Weise die gleiche, in der Serenus Zeitblom auf die Geschichte Adrian Leverkühns zurückblickt. Ein schönes Beispiel für übersehenen Einfluß, denn kaum ein Kritiker hat das Modell des Doktor Faustus erkannt, und viele haben statt dessen eine Anspielung auf die Dialoge zwischen Naphta und Settembrini im Zauberberg gesehen.
    Um weitere Beispiele zu nennen: Es hat mich gefreut, als vorgestern jemand den möglichen Einfluß von Bouvard et Pécuchet auf das Foucaultsche Pendel angesprochen hat. Tatsächlich hatte ich beim Schreiben dieses Romans oft an jenes Buch gedacht und mir vorgenommen, es einmal wiederzulesen, aber dann habe ich darauf verzichtet, denn ich wollte in gewisser Weise sein Pierre Menard sein.
    Ein umgekehrter Fall war meine Begegnung mit den Rosenkreuzern, die bestimmend für die Struktur des Foucaultschen Pendels war. Seit meiner Schulzeit hatte ich mir eine kleine Sammlung von Werken über okkulte Wissenschaften angelegt, eines Tages fiel mir ein absolut idiotisches Buch über die Rosenkreuzer in die Hände, und da kam mir die Idee, eine Art Bouvard et Pécuchet der okkultistischen Idiotien zu schreiben. Von nun an sammelte ich einerseits minderwertige Texte von Okkultisten und andererseits zuverlässige historio-graphische Literatur über die Rosenkreuzer. Erst als der Roman schon relativ weit gediehen war, kam mir die Erzählung »Tlön, Uqbar, Orbis Tertius« wieder unter die Augen, in der Borges von den Rosenkreuzern spricht -und zwar, wie oft bei ihm, indem er Informationen aus zweiter Hand zitiert (in diesem Fall von De Quincey) und trotzdem alles besser versteht als viele Gelehrte, die dem Thema ihr ganzes Leben gewidmet haben.
    Im Zuge dieser Recherchen hatte ich ein vergriffenes Buch wiedergefunden: die Rosenkreuzer-Monographie von Paul Arnold. Als dann das Pendel erschienen war, empfahl ich meinem Verlag, sie ins Italienische übersetzen zu lassen; gleich darauf entschloß sich der französische Verlag zu einem Neudruck und bat mich um ein Vorwort, und erst in diesem Vorwort beziehe ich mich, diesmal bewußt, auf Borges und beginne genau mit »Tlön, Uqbar, Orbis Tertius«. 9
    Wer könnte jedoch verneinen, daß sich, seit ich viele Jahre zuvor die Erzählung gelesen hatte, das Wort Rosenkreuzer in einer entlegenen Zone meines Gehirns eingenistet hatte, von wo es Jahrzehnte später, als ich das Buch des idiotischen Rosenkreuzers las, auch dank einer Erinnerung an Borges wieder aufgetaucht ist?
    In diesen Tagen bin ich eher darauf gebracht worden, mich zu fragen, wie stark mich das »Modell Menard« beeinflußt haben mag. Ich habe diese Erzählung nie aufgehört zu zitieren, seit ich sie das erste Mal gelesen hatte. Inwiefern hat sie meine Art zu schreiben beeinflußt? Nun, ich würde sagen, der wahre borgesianische Einfluß auf den Namen der Rose liegt nicht darin, daß ich eine labyrinthische Bibliothek ersonnen habe, denn von Labyrinthen ist die Welt voll seit den Zeiten von Knossos und die Theoretiker der Postmoderne betrachten das Labyrinth als ein wiederkehrendes Motiv in fast der gesamten zeitgenössischen Literatur. Er liegt vielmehr darin, daß ich wußte, während ich eine mittelalterliche Geschichte nacherzählte, daß meine Nacherzählung, so treu sie auch sein mochte, in den Augen meiner Zeitgenossen andere als mittelalterliche Bedeutungen annehmen würde. Ich wußte, daß wenn ich erzählte, was im 14. Jahrhundert tatsächlich mit den Fratizellen und Fra Dolcino geschehen war, meine Leser unweigerlich (auch wenn ich es nicht wollte) darin fast wörtliche Bezugnahmen auf die Roten Brigaden sehen würden - und es hat mich dann sehr amüsiert zu entdecken, daß die Lebensgefährtin von

Weitere Kostenlose Bücher