Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
würde die beiden Männer verschlingen, dafür brauchte er keinen Pfeil zu verschwenden.
Hinter ihm erklang eine Stimme. «Thomas, nicht wahr?»
«Mylord.» Thomas riss sich den Helm vom Kopf und beugte das Knie.
«Du bist nicht ungeschickt mit dem Bogen», sagte der Earl mit leiser Ironie.
«Übung, Mylord.»
«Und eine gewisse Bosheit, schätze ich», erwiderte der Earl und bedeutete Thomas aufzustehen. Der Earl war ein kleiner Mann mit mächtiger Brust und einem wettergegerbten Gesicht, von dem seine Bogenschützen sagten, es sehe aus wie der Hintern eines Bullen. Dennoch schätzten sie ihn, denn er war ein Kämpfer, gerecht und ebenso hart wie jeder einzelne von seinen Männern. Er war ein Freund des Königs, aber auch ein Freund eines jeden, der sein Abzeichen trug. Er gehörte nicht zu denen, die andere in die Schlacht schickten und selbst in sicherer Entfernung blieben; er war vom Pferd gestiegen und hatte seinen Helm abgenommen, damit die Nachhut ihn erkannte und wusste, dass er sich ebenso in Gefahr begab wie sie. «Ich dachte, du wärst in England», sagte er zu Thomas.
«Das war ich auch», erwiderte Thomas auf Französisch, da er wusste, dass dem Earl diese Sprache angenehmer war. «Danach war ich in der Bretagne.»
«Und jetzt rettest du mich.» Der Earl grinste und entblößte dabei seine Zahnlücken. «Wie wär’s zum Dank mit einem Humpen Ale?»
«So viel, Mylord?»
Der Earl lachte. «Wir haben uns wohl ziemlich blamiert, was?» Er sah zu den Franzosen hinüber, die nun, da gut hundert englische Bogenschützen am Flussufer aufgereiht waren, zögerten, einen weiteren Vorstoß zu versuchen. «Wir dachten, wir könnten vierzig von ihnen zu einem Ehrengefecht drüben beim Dorf herausfordern, und dann stürmt ihre halbe verfluchte Armee auf uns zu. Gibt es Neuigkeiten von Will Skeat?»
«Tot, Mylord. Er starb im Kampf um La Roche-Derrien.»
Das Gesicht des Earls wurde ernst, und er bekreuzigte sich. «Armer Will. Bei Gott, ich habe ihn wirklich gern gehabt. Der beste Soldat, den ich je gekannt habe.» Er sah Thomas an. «Und das andere. Bringst du es mir?»
Er meinte den Gral. «Ich bringe Euch Gold, Mylord», sagte Thomas. «Aber das andere nicht.»
Der Earl klopfte Thomas auf die Schulter. «Wir reden später.» Dann wandte er sich zu seinen Männern und erhob die Stimme. «Zurück! Alle zurück!»
Die Männer seiner Nachhut, deren Pferde bereits am anderen Ufer in Sicherheit waren, liefen zum Fluss und wateten hindurch. Thomas folgte ihnen, und der Earl war der Letzte, der mit gezücktem Schwert in die wirbelnden Fluten trat. Die Franzosen, denen ihre kostbare Beute entwischt war, verhöhnten seinen Rückzug.
Und damit war der Kampf für diesen Tag vorüber.
Die französische Armee blieb nicht. Die Garnison von Nieulay war vernichtet, aber selbst die Heißblütigsten unter den Rittern wussten, dass sie mehr nicht ausrichten konnten. Die Engländer waren zu viele. Tausende von Bogenschützen warteten nur darauf, dass die Franzosen den Fluss überquerten und sie zur Schlacht herausforderten, also kehrten Philippes Männer den mit Leichen gefüllten Gräben von Nieulay und den windumtosten Hügeln von Sangatte den Rücken, und am nächsten Tag ergab sich die Stadt Calais. König Edwards erster Impuls war, sämtliche Einwohner abzuschlachten, sie entlang der Wassergräben aufzureihen und jedem einzelnen den Kopf vom ausgemergelten Körper zu schlagen, doch seine hohen Fürsten wandten ein, dass die Franzosen dann mit jeder englisch besetzten Stadt in der Gascogne oder in Flandern ebenso verfahren würden, wenn sie sie zurückeroberten, und so beschränkte der König sich widerstrebend darauf, nur sechs Einwohner zu töten.
Sechs Männer, hohlwangig und in Büßerhemden gekleidet, wurden mit Stricken um den Hals aus der Stadt gebracht. Alle sechs waren wohlhabende und angesehene Bürger, Kaufleute oder Ritter, genau die Art von Männern, die Edward von England elf Monate lang Widerstand geleistet hatten. Auf den Händen trugen sie Kissen mit den Schlüsseln der Stadt, die sie dem König zu Füßen legten. Dann streckten sie sich bäuchlings vor dem hölzernen Podest aus, auf dem der König und die Königin von England sowie die hohen Würdenträger ihres Reiches saßen. Die sechs Männer flehten um ihr Leben, doch der König war wütend. Sie hatten ihm getrotzt, und so wurde der Henker gerufen, doch wiederum mahnten ihn seine Fürsten, eine solche Tat werde Vergeltungsmaßnahmen nach sich
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