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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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wiederkommen.«
    Er legte eine kleine Tüte mit Brot, Schmalz und drei verschrumpelten Karotten auf den Boden. Daneben stellte er eine Wasserflasche. Er entschuldigte sich nicht. »Mehr ging nicht.«
    Tür auf, Tür zu.
    Wieder allein.
    Was ihm sofort auffiel, waren die Geräusche.
    In der Dunkelheit, wenn er alleine war, war alles so verzweifelt laut. Jedes Mal, wenn er sich bewegte, verursachte er ein Knistern. Er fühlte sich wie ein Mann in einem Anzug aus Papier.
    Das Essen.
    Max teilte das Brot in drei Stücke und legte zwei zur Seite. Das eine in seiner Hand verschlang er, kaute und keuchte und zwang es den trockenen Korridor seiner Kehle hinab. Das Schmalz war kalt und hart, schabte sich den Weg nach unten und klammerte sich gelegentlich in seiner Speiseröhre fest. Heftiges Schlucken riss es los und schickte es weiter.
    Dann die Karotten.
    Wieder legte er zwei beiseite und aß die dritte. Der Lärm war erstaunlich. Bestimmt konnte der Führer höchstselbst das Geräusch des gelblichen Knackens in seinem Mund hören. Es zerbrach seine Zähne bei jedem Biss. Als er trank, war er sicher, dass er Zahnsplitter schlucken würde. Das nächste Mal, schwor er sich, werde ich zuerst trinken.
    Später, als das Echo ihn verlassen hatte und er den Mut fand, mit seinen Fingern zu tasten, merkte er erleichtert, dass jeder Zahn noch an seinem Platz saß, heil und ganz. Er versuchte ein Lächeln, aber es wollte nicht kommen. Es wurde ein erbärmlicher Versuch, denn vor seinem geistigen Auge sah er immer noch nichts weiter als einen Mund voll zerbrochener Zähne. Stundenlang betastete er sie.
    Er öffnete den Koffer und holte das Buch heraus.
    Im Dunkeln konnte er den Titel nicht lesen, und das Risiko, ein Streichholz anzuzünden, schien ihm zu groß.
    Als er sprach, schmeckte er das Flüstern.
    »Bitte«, sagte er. »Bitte.«
    Er sprach zu einem Mann, den er noch nie getroffen hatte. Abgesehen von einigen wenigen Fakten, kannte er nur seinen Namen. Hans Hubermann. Wieder sprach er mit ihm, mit dem fernen Fremden. Er flehte.
    »Bitte.«
    die eigenschaften des sommers
    So, da habt ihr es. Jetzt wisst ihr, was Ende 1940 auf die Himmelstraße zukam. Ich weiß es. Ihr wisst es.
    Liesel Meminger allerdings gehört derzeit noch nicht zum Kreis der Eingeweihten.
    Für die Bücherdiebin war dieser Sommer einfach. Er bestand hauptsächlich aus vier Aspekten oder Eigenschaften. Manchmal fragte sie sich, welche der vier die größte Bedeutung hatte.
    UND DIE NOMINIERTEN SIND…
    1 . die nächtliche Lektüre von Das Schulterzucken und der damit verbundene Lesefortschritt
    2. die Bücher, die sie auf dem Fußboden in der Bibliothek des Bürgermeisters las
    3. Fußballspielen auf der Himmelstraße
    4. die Gelegenheit zu einem Diebstahl anderer Art, die sie ergriff
    Das Schulterzucken, so entschied sie, war ausgezeichnet. Jede Nacht, wenn sie sich nach ihrem Albtraum wieder beruhigt hatte, überkam sie schon bald die Freude darüber, dass sie wach war und lesen konnte. »Ein paar Seiten?«, fragte Papa, und Liesel nickte. Manchmal beendeten sie das angefangene Kapitel am folgenden Nachmittag, unten im Keller.
    Das Problem, das die Obrigkeit mit diesem Buch hatte, war offensichtlich. Die Hauptperson war ein Jude, er war vorteilhaft beschrieben und in ein gutes Licht gesetzt. Unverzeihlich. Er war ein reicher Mann, der es leid war, dass das Leben an ihm vorbeizog - was er mit einem Schulterzucken angesichts der guten und schlechten Zeiten eines Menschenlebens verglich.
    Es war Frühsommer in Molching, als Liesel und Papa durch das Buch gingen und der Mann aus dem Buch geschäftlich nach Amsterdam reiste, während draußen der Schnee zitterte. Das Bild gefiel dem Mädchen - der zitternde Schnee. »Genauso sieht er aus, wenn er vom Himmel fällt«, erklärte sie Hans Hubermann. Sie saßen auf dem Bett beisammen, Papa halb schlafend, das Mädchen hellwach.
    Manchmal betrachtete sie Papa, wenn er schlief. Sie wusste weniger und zugleich mehr über ihn, als ihnen beiden klar war. Oft hörte sie ihn und Mama streiten, weil er keine Arbeit hatte, oder sich niedergeschlagen darüber unterhalten, dass Hans versucht hatte, seinen Sohn aufzusuchen, nur um festzustellen, dass dieser seine Wohnung bereits verlassen hatte und höchstwahrscheinlich an die Front gezogen war.
    »Schlaf gut, Papa«, sagte das Mädchen dann. Sie rutschte um ihn herum, aus dem Bett heraus, um das Licht auszumachen.
    Der nächste Aspekt an diesem Sommer war, wie bereits erwähnt,

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