Die Bücherdiebin
untereinander aufteilen sollten.
»Gute Arbeit«, lautete sein abschließender Kommentar zu der Sache.
Bevor sie an diesem Nachmittag nach Hause gingen, aßen Liesel und Rudi jeweils sechs Äpfel in einer halben Stunde. Zunächst spielten sie mit dem Gedanken, das Obst mit ihren Familien zu teilen, aber das erschien ihnen zu gefährlich. Sie waren nicht gerade erpicht darauf, erklären zu müssen, woher sie die Äpfel hatten. Liesel überlegte, ob sie nicht wenigstens Papa einweihen sollte, doch er sollte nicht glauben, dass er eine Gewohnheitsverbrecherin an seinem Busen nährte. Und so aß sie.
Am Ufer, wo sie Schwimmen gelernt hatte, wurde jeder einzelne Apfel verspeist. Sie waren eine solche Schlemmerei nicht gewohnt, und ihnen war klar, dass ihnen wahrscheinlich schlecht werden würde.
Sie aßen trotzdem.
»Saumensch!«, schimpfte Mama am Abend. »Warum musst du denn kotzen?« »Vielleicht liegt es an der Erbsensuppe«, sagte Liesel.
»Bestimmt«, erklärte Papa. Er saß wieder am Fenster. »Woran denn sonst? Mir ist auch schon ganz übel.«
»Wer hat dich denn gefragt, Saukerl?« Schnell wandte sie sich wieder dem kotzenden Saumensch zu. »Na? Sag schon. Nun rede schon, du Dreckschwein.«
Und Liesel?
Sie sagte nichts.
Die Äpfel, dachte sie glücklich, die Äpfel, und sie erbrach sich ein weiteres Mal, der guten Ordnung halber.
die arische ladenbesitzerin
Sie standen vor Frau Lindners Eckladen an die weiß getünchte Wand gelehnt. In Liesel Memingers Mund steckte ein Bonbon. In ihren Augen stand die Sonne.
Trotz dieser Hindernisse war sie dennoch in der Lage zu sprechen und zu streiten.
NOCH EIN GESP RÄCH ZWISCHEN RUDI UND LIESEL
»Mach schon, Saumensch, das waren schon zehn Mal.« »Stimmt nicht, es waren erst acht - ich habe noch zwei.«
»Na, dann beeil dich gefälligst. Ich sag's ja, wir hätten ein Messer holen und es in zwei Hälften sägen sollen. - Komm schon, das waren jetzt noch zwei Mal!« »Also gut. Hier. Und schluck's bloß nicht runter!« (Eine kurze Pause.) »Das ist klasse, was?« »Darauf kannst du wetten, Saumensch.«
Sowohl der August als auch der Sommer gingen bald zu Ende, da fanden sie einen Pfennig auf dem Boden. Helle Aufregung.
Er steckte halb verrottet im Dreck, auf dem Weg, den Liesel mit der Wäsche ging. Eine einsame, verrostete Münze.
»Schau dir das an!«
Rudi stürzte sich darauf. Die Erregung stach in ihrem Innern, während sie zu Frau Lindners Laden zurücksausten. Sie verschwendeten keinen Gedanken daran, dass sie mit einem einzigen Pfennig nicht besonders weit kommen würden. Sie stolperten durch die Tür und standen vor der arischen Ladenbesitzerin, die voller Verachtung auf sie niederblickte.
»Ich warte«, sagte sie. Ihr Haar war straff zurückgekämmt, und ihr schwarzes Kleid würgte ihren Körper. Von der Wand aus hielt das gerahmte Foto des Führers Wache.
»Heil Hitler«, sagte Rudi.
»Heil Hitler«, erwiderte sie und richtete sich hinter der Theke zu voller Größe auf. »Und du?« Sie funkelte Liesel an, die mit einem prompten »Heil Hitler« reagierte.
In Windeseile fischte Rudi die Münze aus der Hosentasche und legte sie entschlossen auf die Theke. Er schaute geradewegs in Frau Lindners bebrillte Augen und sagte: »Gemischte Bonbons, bitte.«
Frau Lindner lächelte. Ihre Zähne drängelten in ihrem Mund, um Platz zu finden, und ihre unerwartete Freundlichkeit brachte auch Liesel und Rudi zum Lächeln. Aber es währte nicht lange.
Frau Lindner bückte sich, kramte einen Moment lang herum und tauchte dann wieder hinter der Theke auf. »Hier«, sagte sie und warf ein einzelnes Bonbon auf die Theke. »Mischen könnt ihr es selbst.«
Draußen wickelten sie das Bonbon aus und versuchten, es in zwei Hälften zu beißen, aber der Zucker war so hart wie Glas. Er war sogar zu hart für Rudis Reißzähne. Stattdessen mussten sie das Bonbon in Lutschportionen aufteilen. Zehn Mal Lutschen für Rudi, zehn Mal für Liesel. Hin und her, bis das Bonbon verschwunden war.
»So«, verkündete Rudi irgendwann mit einem bonbonverklebten Lächeln, »gefällt mir das Leben.« Liesel konnte ihm nur zustimmen. Als sie fertig waren, leuchteten ihre Münder feuerrot, und auf dem Heimweg schärften sie sich gegenseitig ein, nach weiteren verlorenen Münzen Ausschau zu halten.
Natürlich fanden sie nichts mehr. Niemand kann zwei Mal in einem Jahr so viel Glück haben, geschweige denn zwei Mal an einem Nachmittag.
Trotzdem spazierten sie mit roten Zungen und
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