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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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um seine Mutter zu täuschen - bis der erste Brief ins Haus flatterte. An diesem Tag kam es zu der gefürchteten Aussprache in der Küche.
    Zunächst drohten ihm seine Eltern. Er weigerte sich.
    Dann flehten sie ihn an. Er verneinte.
    Schließlich war es die Gelegenheit, sich einer anderen Gruppe anzuschließen, die Rudi wieder auf den rechten Pfad zurückbrachte. Das war ein Glück, denn wenn er sich nicht bald wieder hätte blicken lassen, hätten die Steiners ein Bußgeld für seine Abwesenheit zahlen müssen. Sein älterer Bruder Kurt fragte Rudi, ob er Lust hätte, sich der Fliegereinheit anzuschließen, die sich auf Flugzeuge und den Luftkampf spezialisiert hatte. Die meiste Zeit bauten sie Modellflugzeuge, und es gab dort keinen Franz Deutscher. Rudi akzeptierte, und auch Tommi trat bei. Es war das erste und einzige Mal, dass Rudis dämliches Verhalten eine Veränderung zum Besseren provoziert hatte.
    Wenn ihm jemand in der neuen Einheit die berühmt-berüchtigte Führer-Geburtstagsfrage stellte, lächelte Rudi und antwortete: »20. April 1889.« Dann flüsterte er Tommi ein anderes Datum zu, etwa Beethovens Geburtstag oder den von Mozart oder Strauss. Sie hatten die Komponisten in der Schule durchgenommen, wo Rudi - trotz seiner augenscheinlichen Dummheit - zu den besten Schülern gehörte.
    das treibende buch (Teil 2)
    Anfang Dezember errang Rudi endlich einen Sieg, wenn auch einen ungewöhnlichen. Es war ein kalter Tag, aber sehr still. Beinahe hätte es geschneit.
    Nach der Schule schauten Liesel und Rudi in Alex Steiners Geschäft vorbei, und auf dem Heimweg sahen sie Rudis alten Freund Franz Deutscher um die Ecke biegen. Liesel hatte, wie immer dieser Tage, den Pfeifer dabei. Sie genoss es, das Buch in ihrer Hand zu fühlen. Den glatten Rücken oder die harten Kanten des Papiers. Sie war es, die Franz zuerst bemerkte.
    »Schau mal.« Sie zeigte mit dem Finger. Deutscher schlenderte beschwingt in Gesellschaft eines anderen Hitlerjugend-Anführers auf sie zu.
    Rudi sank in sich zusammen. Er betastete sein heilendes Auge. »Nicht heute.« Er suchte die Straßen ab. »Wenn wir an der Kirche vorbeigehen, können wir dem Fluss folgen und dann da vorne wieder auf die Straße zurückkehren.«
    Ohne ein weiteres Wort folgte Liesel ihm, und es gelang ihnen, Rudis Feind zu umgehen - nur um geradewegs einem anderen in den Weg zu laufen.
    Zunächst dachten sie sich nichts dabei.
    Die Kerle, die von der Brücke kamen und Zigaretten rauchten, hätten irgendwelche Jungen sein können. Es war zu spät zum Umkehren, als beide Seiten einander erkannten.
    »O nein, sie haben uns gesehen.«
    Viktor Chemmel lächelte.
    Er sprach sehr freundlich. Was nichts anderes bedeutete, als dass er umso gefährlicher war. »Schau an, wenn das mal nicht der Rudi Steiner mit seiner kleinen Hure ist.« Mit federnden Schritten kam er auf sie zu und entwand Liesel das Buch. »Was lesen wir denn da?«
    »Das ist doch eine Sache zwischen uns beiden.« Rudi versuchte es mit Vernunft. »Mit ihr hat das nichts zu tun. Komm schon, gib es ihr zurück.«
    »Der Pfeifer.«. Er sprach jetzt zu Liesel. »Ist es gut?«
    Sie räusperte sich. »Nicht schlecht.« Unglücklicherweise verriet sie sich. Mit ihren Augen. Sie waren in Aufruhr. Sie konnte den genauen Moment benennen, in dem Viktor Chemmel erkannte, dass das Buch einen unschätzbaren Besitz darstellte.
    »Ich sag dir was«, erklärte er. »Für fünfzig Mark kannst du es wiederhaben.«
    »Fünfzig Mark!« Das war Andi Schmeikl. »Komm schon, Viktor, für fünfzig Mark kann man tausend Bücher kaufen.«
    »Habe ich dich gefragt?«
    Andi verstummte. Sein Mund klappte zu.
    Liesel versuchte es mit einem gelassenen, unbeteiligten Gesicht. »Du kannst es behalten. Ich habe es schon gelesen.«
    »Wie geht es denn aus?«
    Verdammt!
    So weit war sie noch nicht gekommen.
    Sie zögerte, und Viktor Chemmel durchschaute sie sofort.
    Rudi bekniete ihn. »Ach komm, Viktor, tu ihr das nicht an. Du bist doch hinter mir her. Ich tue alles, was du willst.«
    Der ältere Junge schob ihn einfach zur Seite, das Buch hoch in der Luft am Ende des ausgestreckten Arms. Und er korrigierte Rudis Aussage.
    »Nein«, sagte er. »Ich tue alles, was ich will.« Und mit diesen Worten ging er aufs Ufer zu. Alle folgten ihm, begierig, ihn einzuholen. Halb laufend, halb rennend. Einige protestierten, andere feuerten ihn an.
    Es war so rasch und so entspannt. Eine Frage und eine spöttisch-freundliche Stimme.
    »Wer«, sagte Viktor

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