Die Bücherdiebin
das der heutige Wetterbericht?«
Liesel stand neben ihm.
Sanft berührte sie ihn am Arm.
Wieder hob er den Schnee an den Mund. »Danke, Liesel.«
Es war der Beginn des großartigsten Weihnachtsfestes überhaupt. Wenig zu essen. Keine Geschenke. Aber im Keller stand ein Schneemann.
Nachdem sie die erste Portion Schnee abgeliefert hatte, versicherte sich Liesel, dass niemand in der Nähe war, und schleppte dann so viele Eimer und Töpfe nach draußen, wie sie finden konnte. Sie füllte sie mit den Hügeln aus Schnee und Eis, die den schmalen Streifen Welt bedeckten, der Himmelstraße genannt wurde. Als die Behälter voll waren, brachte sie sie ins Haus und trug sie in den Keller.
Zugegeben - als Erstes warf sie einen Schneeball auf Max und steckte ihrerseits einen Wurf in den Bauch ein. Max warf sogar einen Schneeball auf Hans Hubermann, der gerade die Kellertreppe herunterkam.
»Saukerl!«, japste Papa. »Liesel, gib mir mal eine Handvoll Schnee. Nein, gleich einen ganzen Eimer!« Ein paar Minuten lang vergaßen sie. Es wurde zwar nicht geschrien oder gerufen, aber die kleinen Lachsalven, die herausplatzten, konnte keiner der drei unterdrücken. Sie waren nur Menschen, die im Schnee spielten. Im Innern eines Hauses.
Papa schaute auf die mit Schnee gefüllten Behältnisse. »Was machen wir mit dem Rest?«
»Einen Schneemann«, antwortete Liesel. »Wir bauen einen Schneemann.«
Papa rief Rosa herbei.
Wie üblich wurde ihm aus der Ferne ihre Stimme entgegengeschleudert. »Was ist, Saukerl?« »Komm mal bitte her.«
Als seine Frau erschien, riskierte Hans Hubermann Kopf und Kragen und zielte mit einem vollkommen runden Schneeball auf sie. Er verfehlte sie um Haaresbreite, und das Wurfgeschoss löste sich auf, als es auf die Wand traf. Mama hatte nun einen Grund, lange und ausgiebig zu fluchen, ohne Atem zu holen. Nachdem sie sich wieder erholt hatte, half sie den anderen. Sie holte sogar Knöpfe für die Augen und die Nase und etwas Schnur für ein Schneemann-Lächeln. Selbst ein Schal und ein Hut wurden herbeigezaubert für den Schneemann, der gerade mal sechzig Zentimeter hoch war.
»Ein Zwerg«, sagte Max.
»Was machen wir, wenn er schmilzt?«, fragte Liesel.
Rosa hatte die Antwort parat. »Dann wischst du hier auf, Saumensch, aber dalli!«
Papa schüttelte den Kopf. »Der schmilzt nicht.« Er rieb sich die Hände und blies dagegen. »Hier unten ist es eiskalt.«
Doch die Schmelze setzte ein - allerdings im Innern der vier Menschen. Der Schneemann stand unverändert da. Es war wohl das Letzte, was sie vor sich sahen, als sie an diesem Weihnachtsabend einschliefen. Das Akkordeon war in ihren Ohren, der Schneemann in ihren Augen, und Liesels Gedanken galten den letzten Worten von Max, ehe sie ihn am Kamin zurückließ und in ihr Zimmer ging.
DIE WEIH NACHTSWORTE VON MAX VANDENBURG
»Ich habe mir oft gewünscht, dass dies alles vorbei wäre, Liesel, aber dann kommst du die Kellertreppe herunter und hältst einen Schneemann in deinen Händen.«
Unglücklicherweise läutete diese Nacht eine dramatische Verschlechterung von Max' Gesundheit ein. Die ersten Anzeichen schienen harmlos und waren doch so typisch. Das ständige Gefühl von Kälte. Schwimmende Hände. Immer häufiger Visionen des Boxkampfs mit dem Führer. Erst als er selbst nach seinen Liegestützen und den anderen Übungen nicht mehr warm wurde, fing er an, sich Sorgen zu machen. Und egal wie nahe er sich ans Kaminfeuer setzte, sein Zustand verbesserte sich nicht. Tag für Tag floh das Gewicht von seinem Körper.
Seine Übungseinheiten zerstreuten sich und desertierten, ließen ihn mit der Wange auf dem übel gesinnten Kellerboden allein zurück.
Den ganzen Januar hindurch schaffte er es, sich irgendwie aufrecht zu halten, aber Anfang Februar wurde seine Lage ernst. Er hatte Mühe, am Morgen aufzuwachen und in den Keller zu gehen, und verschlief oft. Sein Mund war verzerrt, und seine Wangenknochen begannen anzuschwellen. Wenn man ihn fragte, behauptete er, es ginge ihm gut.
Mitte Februar, ein paar Tage vor Liesels dreizehntem Geburtstag, kam er zum Kamin und war einer Ohnmacht nahe. Er fiel fast ins Feuer.
»Hans«, flüsterte er, und sein Gesicht verkrampfte sich. Seine Beine gaben nach, und sein Kopf schlug gegen den Akkordeonkasten.
Ein Holzlöffel fiel in die Suppe, und in Sekundenbruchteilen war Rosa Hubermann neben ihm. Sie hielt Max' Kopf und kläffte Liesel quer durch den Raum an: »Steh nicht einfach so da! Geh, hol ein paar
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