Die Burg der Könige
schweißverklebten Gesichtern nun oft ein Lächeln.
Erfensteins Entschluss, mit Agnes nach Speyer zu fahren und einen reichen Verlobten zu finden, stand fest, doch bis zur Abreise verging noch einige Zeit. Der Trifelser Burgvogt wollte erst den nächsten großen Speyerer Markttag abwarten. Nach einer knappen Woche war es schließlich so weit; zwei Pferde wurden gesattelt, das Burgtor öffnete sich und die beiden Reisenden machten sich auf den Weg.
Philipp von Erfenstein ritt auf Taramis, während sich Agnes mit dem alten Schimmel begnügen musste, der an jedem Grashalm stehen blieb und oft nur mit gutem Zureden zum Weiterlaufen bewegt werden konnte. Mit jedem Meter, den sie sich vom Trifels wegbewegten, wurde Agnes das Herz schwerer. Schon bald hatten sie die Burg hinter sich gelassen und trabten auf der staubigen Straße Richtung Speyer, das etwa zwei Tage entfernt lag.
Was ihre Reise anging, waren Agnes’ Gefühle gemischt. Beim letzten Besuch in der Domstadt war sie noch ein kleines Mädchen gewesen und hatte beim Anblick der vielen Häuser und Menschen um sie herum den Mund vor Staunen nicht mehr zugemacht, deshalb freute sie sich auf die große Stadt. Doch sie wusste auch, dass sie in Speyer wie eine Kuh verschachert werden sollte.
Noch immer hatte sie Mathis nichts von den Absichten ihres Vaters erzählt. Seit ihrem letzten kleinen Streit drüben bei Burg Scharfenberg hatten sie heimlich jede freie Minute miteinander verbracht. Sie waren sich so nahe gewesen wie schon seit Jahren nicht, als sie beide als Kinder unschuldig im Heu getobt hatten. Gerade deshalb wollte Agnes Mathis nicht in die Heiratspläne einweihen. Auch ihre Träume erwähnte sie nicht mehr, seit sie gemerkt hatte, wie unwirsch er darauf reagierte. Beides zusammen hätte ihnen diesen letzten freien Sommer unweigerlich verdorben. Deshalb glaubte Mathis, Agnes sei nur deshalb nach Speyer mitgereist, um auf dem Markt Tuch und Wolle einzukaufen, während ihr Vater sich nach günstigen Krediten umsah.
Nach einer Weile passierten sie die ersten Dörfer hinter Annweiler, wo ihnen sofort einige schmutzstarrende Kinder johlend entgegenliefen.
»Agnes, Agnes!«, riefen sie begeistert. »Lässt du wieder deinen Falken für uns fliegen?«
Agnes schüttelte den Kopf. »Heute nicht. Parcival ist noch immer in der Mauser. Außerdem habt ihr ihn das letzte Mal ein bisschen zu sehr getriezt.« Sie lächelte aufmunternd. »Vielleicht in ein paar Tagen wieder, wenn ich zurückkomme.«
Philipp von Erfenstein musterte seine Tochter von der Seite. »Seit wann lässt du dich mit den Bauern ein? Und wie reden dich diese Bälger überhaupt an? Vergiss nicht, dass du immer noch ihre Herrin bist.«
»Darf eine Herrin denn nicht freundlich sein?«, gab Agnes kühl zurück. »Das sind doch noch Kinder! Wir sollten froh sein, dass sie sich nicht vor uns verstecken oder dass uns ihre Eltern im Wald auflauern, wie das in anderen Lehen geschieht.«
Seitdem Agnes immer öfter Pater Tristan bei seinen Krankenbesuchen begleitete, sah sie die Bauern mit anderen Augen. Erst gestern hatte sie dem Mönch wieder bei einer schweren Geburt geholfen. Pater Tristan hatte das Kind im Leib gewendet, mit beiden Händen herausgezogen und die Blutung schließlich mit Eichenrinde und Blutweiderich gestillt. Da die Hebamme Elsbeth Rechsteiner noch immer nicht wieder aufgetaucht war, bekamen der alte Burgkaplan, und damit auch seine junge Gehilfin, in der Gegend immer mehr zu tun. Manchmal war Agnes so müde, dass sie tagsüber in der Trifelser Bibliothek einschlief. Dafür fühlte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich nützlich.
Neben ihr pfiff ihr Vater ein munteres Landsknechtslied. Mit dem Entschluss, seine Tochter an den Sohn eines Speyerer Kaufmanns zu verheiraten, hatte sich Erfensteins Laune schlagartig gebessert. Er trank auch nicht mehr so viel, und sogar den Feuerwaffen konnte er neuerdings etwas abgewinnen.
»Ha, wenn wir Wertingen erst mal aus seiner Burg gepustet haben, beginnt ein neues Leben, das sag ich dir!«, wandte er sich nach einer Weile lachend an Agnes. »Mit der Beute und dem Geld deines zukünftigen Gatten werden wir den Trifels wieder auf Vordermann bringen. Wirst sehen, die Burg wird aussehen wie zur Zeit Barbarossas!«
Er hört sich an, als wäre ich schon verlobt und wir ritten zu meiner Hochzeit , dachte Agnes düster.
Sie fragte sich, wie ihr Gemahl wohl aussehen würde. Bislang wusste sie nur, dass er wohl ein Hallodri war und etwa
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