Die Burg der Könige
Feuerrohr, das sich mittels eines eingebauten Uhrwerks selbst entzündet. Man muss nur noch den Abzug drücken. In Konstantinopel ist die Leibgarde des Sultans damit ausgerüstet. Ich bin sicher, dass sich diese geniale Erfindung auch schon bald bei uns durchsetzt.«
Der Mann drehte den Lauf einer der Faustbüchsen, so dass er nun wie ein Uhrzeiger genau auf Gessler zeigte. »Die Feuerkraft ist wirklich gewaltig. Ich selbst habe gesehen, wie sich der Kopf eines Verräters in Blut, Knochensplitter und weiße Gehirnmasse aufgelöst hat. Eben noch war da der Kopf, im nächsten Moment ritt nur noch der blutspuckende Torso auf dem Pferd. Beeindruckend, nicht wahr?«
»Ich glaube, ich habe verstanden.« Angewidert gab der Vogt der Waffe einen Stups, so dass der Lauf wieder auf den Fremden zeigte. »Bitte entschuldigt mich jetzt, ich habe noch viel zu tun.«
»Natürlich.« Der Fremde erhob sich und steckte Geldbeutel und die beiden Waffen wieder ein. »Ich habe Eure Zeit schon über Gebühr in Anspruch genommen. Wann, glaubt Ihr, darf ich Euch wieder belästigen?«
»Kommt in einer Woche wieder. Nein, sagen wir in zwei. Dies ist eine alte Stadt, es gibt eine Menge Akten zu wälzen. Und, wie gesagt, ich kann Euch nichts versprechen.«
Der Mann nickte kurz, dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab.
»Eines noch«, rief ihm Gessler hinterher. »Ich bin es gewohnt, den Namen desjenigen zu erfahren, mit dem ich Geschäfte mache. Also, wie heißt Ihr?«
Der Fremde zögerte, dann lächelte er, weiße Zähne blitzten in dem schwarzen Gesicht. »Nennt mich Caspar«, erwiderte er schließlich. »Wie einer der Heiligen Drei Könige. Denn ich sage Euch, ein Stern ist in dieser Gegend niedergegangen, und wir müssen ihn suchen. Einen schönen Tag noch, Herr Vogt.«
Wie ein dunkler Schatten verschwand er in der offenen Tür. Schon bald waren seine Schritte auf der Kellertreppe verklungen.
Schwer atmend lehnte sich Bernwart Gessler in seinem Stuhl zurück. Erst nach einer Weile fiel ihm auf, dass er am ganzen Körper zitterte, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Dieser Mann war brandgefährlich! Mit ihm zu spielen konnte den Tod bedeuten. Doch auf der anderen Seite hasste es der Stadtvogt seit jeher, wenn man ihm drohte. Es stachelte ihn geradezu zum Widerstand an.
Außerdem ging es um einen Haufen Geld. Es ging um ihn und um sein zukünftiges Lehen.
Gesslers Lippen wurden schmal. Er würde diesen Mann hinhalten, er würde ihm einige Informationen verschaffen, so wie man einem Hund ein paar stinkende Brocken hinwirft. In der Zwischenzeit würde er selber weiterforschen. Und dann würde sich zeigen, welche Seite mehr zahlte. Er würde die beiden Fremden gegeneinander ausspielen. Im Zweifelsfall hatte er immer noch den Herzog auf seiner Seite. Gessler konnte Landsknechte anfordern, die mit diesem Prahlhans kurzen Prozess machen würden. Ein Wort von ihm, und der schwarzhäutige Teufel würde wie irgendein dahergelaufener, Äpfel stehlender Landstreicher am Galgen enden. Keiner drohte Bernwart Gessler ungestraft!
Nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte, wandte der Vogt sich wieder den Akten zu. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die alten ausgebleichten Lettern verschwammen gelegentlich, immer öfter rieb Gessler sich die rotgeäderten Augen. Er wollte schon Schluss machen, als sein Blick plötzlich auf eine kleine Notiz fiel, die er zuvor wohl übersehen hatte. Es waren die Jahreszahl und einige wenige Worte, die ihn hatten aufmerken lassen. Worte, die anderen nichts bedeuteten, die nach dem Besuch der beiden Fremden aber nun plötzlich einen Sinn ergaben.
Mit klopfendem Herzen zog Gessler den kleinen Zettel zu sich heran. Leise murmelnd überflog er die altertümlichen Zeilen, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
Er war auf der richtigen Spur.
KAPITEL 8
Trifels, 25. Mai, Anno Domini 1524
er Sommer erschien wie ein lang vermisster Gast. Auf den Feldern wuchs das Getreide, und an den Obstbäumen reiften die weißen Blüten zu Äpfeln, Birnen und Pflaumen. Anders als in den letzten Jahren deutete alles auf eine reiche Ernte hin. Dementsprechend fröhlich war die Stimmung in den Dörfern rings um den Trifels, beinahe jeden Tag gab es irgendwo ein Fest mit Musik und Tanz. Es war, als wollten die Menschen den langen Winter und den kalten, feuchten Frühling mit ihren Liedern für immer vertreiben. Auch wenn die Arbeit auf den Feldern nach wie vor hart war, so trugen die Bauern auf ihren
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