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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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hören. Erst jetzt drehte Gessler langsam den Kopf. An den Regalen hinter ihm stand der schwarzhäutige Fremde und blätterte in einigen der dort gelagerten Akten.
    »Einen Haufen Todesurteile habt Ihr in den letzten Jahren unterzeichnet«, sagte der Mann anerkennend. Er deutete auf ein Blatt in seiner Hand. »Hängen, Rädern, Ersäufen im Mühlbach – sogar eine Vierteilung mit Pferden war dabei. Ein grandioses Spektakel. So was sieht man nur noch selten im Reich.«
    »Der Schultheiß Michel. Ein lang gesuchter Mörder, Aufrührer und Brandstifter«, erwiderte Gessler so gelassen wie möglich. »Es sind unruhige Zeiten. Da muss man Zeichen setzen.«
    »Fürwahr, fürwahr, unruhige Zeiten. Nicht nur hier im Wasgau. Das ganze Reich scheint zu brennen.«
    Der Mann blätterte weiter schweigend in den Akten. Nach einer Weile hielt es der Stadtvogt nicht mehr länger aus. Er räusperte sich.
    »Nun, Ihr seid sicher nicht hier, um mit mir über Prozessakten zu debattieren. Also, sagt schon, was Ihr wollt, und dann lasst mich weiter die alten Pergamente hier sortieren. Einer meiner jungen Gehilfen hat alles durcheinandergebracht. Es wird mich einige Zeit kosten, das wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Ihr habt recht. Auch meine Zeit ist knapp bemessen.« Der Fremde schlenderte zu ihm herüber und warf einen flüchtigen Blick auf die Akten am Tisch. Gessler spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Es würde den Mann nicht viel Mühe kosten herauszufinden, wonach er gerade suchte. Schnell schob er ein paar unverdächtige Finanzlisten über die älteren Akten und gab sich so gelassen wie möglich.
    Der Fremde schien einen Moment zu zögern, dann fuhr er mit ruhiger Stimme fort: »Diese Hebamme Elsbeth Rechsteiner, von der Ihr mir erzählt habt, sie ist spurlos verschwunden. Wir haben ihr Haus nun einige Wochen lang beschattet, aber sie ist nicht wieder aufgetaucht. Entweder ist sie tot, oder jemand hat sie vor unserer Ankunft gewarnt.« Er beugte sich so tief zu Gessler hinunter, dass der Stadtvogt einen exotischen Geruch wahrnahm, nach Nelken, Anis und weiteren fremdartigen Gewürzen. Die Stimme des schwarzhäutigen Mannes war nun ganz leise. »Habt Ihr sie gewarnt?«
    Gessler lächelte schmal. »Sagt selbst, warum hätte ich das tun sollen?«
    »Hat sich denn noch jemand nach ihr erkundigt?«, hakte der Fremde nach.
    Im Bruchteil einer Sekunde traf der Vogt eine weitere Entscheidung. Sie fiel ebenso instinktiv wie der Entschluss, dem schwarzhäutigen Mann nichts von den Unterlagen zu erzählen. In seinem langen Leben in der Politik hatte er gelernt, dass es in der Regel besser war, noch einen Trumpf in der Hand zu behalten. Man konnte nie wissen, wie sich das Spiel entwickelte.
    »Ihr seid der Einzige, der danach gefragt hat«, sagte er mit fester Stimme. »Und es ist mir auch schleierhaft, weshalb Euch diese alten Geschichten interessieren. Aber im Grunde will ich es gar nicht wissen. Es ist nicht gut, zu viel zu wissen.«
    Der Fremde lächelte. »Ein wahres Wort.« Plötzlich nahm er sich einen Schemel, der vor dem Regal stand, und setzte sich dem Vogt genau gegenüber. Unter seinem Mantel zog er einen Beutel Münzen hervor.
    »Ich hatte Euch damals eine weitere Summe versprochen, wenn meine Suche erfolgreich verlaufen sollte«, sagte er leise und warf den klimpernden Beutel auf den Tisch. »Leider war das bislang nicht so. Es sei denn, Ihr habt weitere Informationen für mich. Nun, habt Ihr welche?«
    »Ich kann hier im Archiv nachsehen«, entgegnete der Vogt und senkte dabei den Blick. »Es gibt vielleicht doch noch Akten, in denen so etwas niedergeschrieben wird. Mag sein, und ich werde fündig. Versprechen kann ich allerdings nichts.«
    »Dann sucht, wenn Ihr den zweiten Beutel Münzen wollt.« Es entstand eine kleine Pause. Schließlich fuhr der Mann fort: »Davon abgesehen würde ich Euch gerne etwas zeigen.« Wieder griff er unter seinen Mantel. Diesmal zog er zwei seltsame etwa handlange Eisenrohre hervor, an deren hinteren Enden sich jeweils ein blankpolierter Holzgriff mit Elfenbeinintarsien befand. Merkwürdige Apparaturen waren dar­an befestigt, ein Schnapphahn, kleine Räder und eiserne Hebel. Vorsichtig, beinahe andächtig, legte der Mann die beiden Höllenmaschinen neben den Geldbeutel auf den Tisch.
    »Ich habe mir diese Schmuckstücke aus Braunschweig kommen lassen«, sagte er nach einer Weile. »Es sind sogenannte Faustbüchsen mit einem Radschlossmechanismus. Eine wunderbare Erfindung! Ein

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