Die Burg der Könige
verbeugte sich artig. »Ganz wie Ihr meint. Trotzdem hoffe ich, Euch schon bald wiederzusehen.«
»Das … das wird sich einrichten lassen.«
Mit einem letzten Augenzwinkern wandte Agnes sich ab und ging an den lärmenden Fuhrknechten, Glasern und Zimmerleuten vorbei auf den schmalen Pfad zum Trifels. Verstohlen lächelte sie, und ihr Herz wurde leichter. Die vielen Sorgen der letzten Wochen – die merkwürdigen Träume, der Raubüberfall auf die Trifelser Burgmannen, die Heiratspläne ihres Vaters – all das hatte dazu geführt, dass ihr das Leben an manchen Tagen nur noch trist und grau vorgekommen war. Melchior von Tanningen war der Erste gewesen, der sie seit langem wieder zum Lachen gebracht hatte.
Schmunzelnd passierte sie die hohen Sandsteinfelsen, während hinter ihr die Geräusche der Handwerker langsam verklangen. Wenigstens würde ihr mit ihrem neuen Nachbarn und seinem Barden nicht so schnell langweilig werden.
***
Tief in den Kellern des Annweiler Rathauses brütete der Stadtvogt Bernwart Gessler über einem Stapel vergilbter Pergamente. Die Akten waren alt und fleckig, manche von ihnen mochten viele Hundert Jahre alt sein. Alle erzählten sie die Geschichte dieser Stadt, die mit dem Trifels einst zu Macht und Reichtum gekommen war, und die jetzt genau wie die Burg langsam verfiel.
Friedrich der Staufer selbst hatte die Stadt einst gegründet, er hatte ihr als einer der Ersten das Münzrecht verliehen. Annweiler war damals die kleinste Reichsstadt des Deutschen Reiches gewesen – aufgrund ihrer Nähe zum Trifels jedoch eine der mächtigsten. Geschmückt mit ihrem Namen hatte ein gewisser Markwart von Annweiler damals den Feldzug gegen die Normannen angeführt, in der kleinen Stadtkirche wurde noch jedes Jahr zum Todestag eine Messe für den großen Stauferkaiser Friedrich II. gelesen, doch der Ruhm der Stadt war ebenso verblasst wie die Schrift der vielen Pergamente, die Bernwart Gessler soeben las.
Er hoffte, durch die Lektüre einem offenbar äußerst wertvollen Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Der Besuch des schwarzhäutigen Mannes vor einigen Wochen hatte den Stadtvogt ebenso ängstlich wie auch neugierig gemacht. Seine Neugierde war noch gewachsen, als vor wenigen Tagen ein weiterer Fremder die gleichen Fragen gestellt hatte. Auch von ihm hatte Gessler einen schweren Beutel Münzen erhalten. Er hätte zufrieden sein können, das Geld reichte mit all den anderen Summen, die er im Lauf der Zeit für sich beiseitegeschafft hatte, bei weitem aus, um diesem Drecksloch schon bald den Rücken zu kehren. Gessler hoffte, dass ihm der Zweibrückener Herzog ein einträgliches Lehen zuweisen würde, keine dieser halbverfallenen Burgen, sondern eine stattliche Residenz, ein kleines Schloss, vielleicht auch eine Abtei. Jedenfalls einen Ort, wo die Herren zu leben verstanden und die Bauern wussten, wer ihr Herr war.
Seit den frühen Morgenstunden saß Bernwart Gessler nun schon über Akten und Kirchenbüchern, die tief in die Geschichte der Stadt zurückreichten. Es war, als würde man Schichten von schwarzer, feuchter Erde abtragen, um irgendwann auf den Grund zu gelangen. Bis jetzt hatte er noch nichts Interessantes zutage gefördert, doch Gessler wusste: Wenn zwei so offenkundig hochstehende Fremde die gleichen Fragen stellten, dann musste etwas Großes dahinterstecken. Der Instinkt, der ihn, den Sohn eines einfachen Speyerer Ratsgehilfen, bis an die Spitze dieser Stadt geführt hatte, war es auch gewesen, der ihm geraten hatte, den beiden Männern die Unterlagen im Ratskeller zu verheimlichen.
Erst galt es herauszufinden, was sie wirklich wert waren.
Eben zog der Vogt einen weiteren Berg Akten auf dem Tisch zu sich heran, als ihn ein leises Geräusch aufschreckte. Es war wie das Rauschen eines Luftzugs. Noch bevor Gessler sich umwenden konnte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Ein fast kieksender Schreckensschrei entfuhr ihm, den er im nächsten Moment bereute. Egal, wer dort hinter ihm stand, ob Mörder, Dieb oder nur ein neugieriger Ratsherr – ein Stadtvogt durfte keine Angst zeigen, niemals. Angst ließ jede Autorität bröckeln.
Bernwart Gessler zwang sich, Ruhe zu bewahren. Langsam schob er den Aktenstapel von sich weg.
»Wer auch immer Ihr seid, Ihr habt kein Recht, hier einzudringen«, sagte er mit belegter Stimme.
»Verzeiht die Störung. Die Wachen oben haben mir gesagt, ich würde Euch hier finden.«
Die Hand auf seiner Schulter löste sich, und leises Rascheln war zu
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