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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Herren gedient. Und glaubt mir, Meister Wielenbach, ich weiß es zu vermeiden, einen Kopf kürzer gemacht zu werden.«
    »Wie … wie meint Ihr das?«
    Der Barde stand auf und klopfte Mathis auf die Schulter. »Ihr seid noch jung, deshalb habe ich einen guten Rat für Euch. Ich habe Euch heute früh gemeinsam mit der Vogtstochter gesehen. Sie scheint Euch zu mögen. Lasst Euch nicht auf etwas ein, was Euch nur ins Unglück stürzt. Gehabt Euch wohl.«
    Ohne ein weiteres Wort ging Melchior von Tanningen davon und ließ Mathis mit seinen Grübeleien allein am Lagerfeuer zurück. Was mochte der Barde nur mit seinem letzten seltsamen Satz gemeint haben?
    Lasst Euch nicht auf etwas ein, was Euch nur ins Unglück stürzt …
    Erst jetzt fiel Mathis wieder das Medaillon ein, das ihm Agnes heute früh zugesteckt hatte. Er zog es hervor und betrachtete es genau. Es war eine glattpolierte Scheibe aus dem dünnen Stamm eines Nussbaums. Nur zwei Wörter waren darauf eingeritzt. Auf der einen Seite stand »Mathis«, auf der anderen »Agnes«.
    Agnes …
    Nachdenklich rieb Mathis die warme Holzscheibe zwischen den Fingern. Er musste an das Bild denken, das ihm Agnes damals in den Kerker geschickt hatte. Sein Herz pochte, und das Medaillon schien heißer und heißer zu werden.
    Mittlerweile hatte Mathis eine leise Ahnung, was der Barde mit seinen Worten gemeint hatte.
    ***
    Als die Sonne über dem Trifels unterging, lag Agnes noch lange wach in ihrem Bett und musste an Mathis denken. Wie es ihm wohl gerade erging? Ob er wieder heil zu ihr zurückkam? Sie spürte, wie Angst sich in ihr breitmachte, auch um ihren Vater. Trotz seiner Rüstung hatte er neben dem jungen Grafen so verletzlich gewirkt, so alt und gebeugt. Einst mochte Philipp von Erfenstein ein guter Kämpfer gewesen sein. Doch das Wunder von Guinegate war viele Jahrzehnte her, Zeiten und Waffen hatten sich seitdem geändert, und sie befürchtete, dass sich ihr Vater in der Schlacht schlicht überschätzte. Er war kein stählerner Recke mehr, sondern ein alter Mann von fast sechzig Jahren, auch wenn er das selbst nicht glauben wollte. Außerdem besaß er nur noch ein Auge, und allein der Herrgott wusste, ob das für einen schmutzigen Nahkampf genügen würde.
    In den letzten Wochen waren ihre Träume seltener geworden, was vermutlich auch daran lag, dass sie nach den vielen Krankenbesuchen mit Pater Tristan oft wie ein Stein schlief. Trotzdem sah sie die Bilder immer wieder vor sich – der Welfe Johann von Braunschweig, der sie vor dem Ring warnte und zu dem sie sich auf eine seltsame Weise hingezogen fühlte; das Gespräch der Männer, die ihren und Johanns Tod planten; das Antlitz in der Weinpfütze. Sie hatte ein fremdes und doch vertrautes Gesicht darin gesehen. Wer in Gottes Namen war sie in dem Traum? Wenn nicht sie selbst, wer dann?
    Wer bist du?
    Langsam glitt sie hinüber in den Schlaf, wobei sich ihre Ängste in blutige Visionen verwandelten. Sie sah Mathis neben dem großen Feuerrohr stehen, und plötzlich zerbarst die Bronze in tausend Splitter, die sich wie Lanzen in seinen Brustkorb bohrten. Sie sah ihren Vater, wie er ohne Kopf, doch mit schwingendem Schwert über das Schlachtfeld ritt. Dann wurden die blutigen Bilder weniger und machten anderen Bildern Platz, wirklicheren.
    Obwohl Agnes träumte, war ihr bewusst, dass sie erneut in die Vergangenheit des Trifels zurückreiste. Sie versuchte aufzuwachen, doch es war, als wäre sie in einen trüben Weiher gefallen, dessen Oberfläche sie nicht mehr fand. Keinen Finger konnte sie rühren, der Ring an der Kette drückte schwer auf ihre Brust, und so ließ sie alles wehrlos über sich ergehen. Wie auch in früheren Träumen roch sie die Wälder, hörte das knirschende Geräusch von Schritten. Doch diesmal war sie nicht mehr mit dem Edlen Johann von Braunschweig oben auf der Plattform des Palas, sie stand auch nicht vor der Tür zum Rittersaal und lauschte, nein, sie und Johann rannten nachts den Wehrgang auf der Südseite entlang, hinüber zum Tanzfelsen …
    Im Laufen erhascht Agnes einen Blick auf Johann, trotz der Dunkelheit ist seine angespannte Miene gut zu erkennen. Schweißperlen rinnen ihm über die Stirn, sein Atem geht stoßweise, immer wieder sieht er sich nach ihr um und bedeutet ihr, schneller zu laufen. Agnes erinnert sich an das Gespräch der Männer im Rittersaal. Sie wollen sie töten! Sie und Johann und das Kind.
    Auch das Kind.
    Endlich haben sie den steilen Felsen erreicht, das äußerste

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