Die Burg der Könige
Lehnsbauern so leise, dass es nur Mathis und ein paar der Umstehenden hörten. »Die sind genau solche Raubritter wie der Schwarze Hans. Nur dass sie statt mit dem Schwert mit dem Kreuz auf Raubzug gehen.«
Einige andere Bauern nickten zustimmend. »Alles das gleiche Pack«, erwiderte einer. »Wir sollten es so machen wie die Unsrigen unten am Rhein. Da haben sie ein paar Klöster angezündet, und …«
»Und sind dafür mit aufgeschnittenen Bäuchen am Galgen geendet«, fuhr ein betrunkener Landsknecht dazwischen. »Vergiss es, du dummer Prahlhans. Es bleibt, wie es ist. Der Bauer buckelt, der Landsknecht kämpft, und die Äbte, Grafen und Herzöge fressen sich derweil die Wänste voll.«
»Vielleicht nicht mehr lange«, mischte sich ein weiterer Bauer ein. »Dieser Martin Luther bläst dem Papst gehörig den Marsch. Das ist ein Pfaffe ganz nach meinem Geschmack! Wirst sehen …«
»Psst!«, sagte der Landsknecht und deutete auf den Barden, der sich soeben ihrer Feuerstelle näherte. »Vornehme Gesellschaft.«
Schweigend beugten sich die Männer wieder über ihren Teller Eintopf. Melchior von Tanningen schien von ihrem Gespräch nichts mitbekommen zu haben. Er wandte sich dem am Feuer sitzenden Mathis zu und machte eine leichte Verbeugung, wobei er sein Barett lüftete.
»Meine Verehrung, Meister Wielenbach«, begann er salbungsvoll. »So ist doch Euer werter Name, nicht wahr?«
Mathis nickte, wobei er sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Kein Wunder, dass Agnes den Burschen mochte. Er hörte sich wirklich an wie ein Bote aus einer früheren Zeit. »Nennt mich einfach Mathis, das reicht«, erwiderte er. Er bedeutete dem Barden, sich neben ihn auf den Boden zu setzen. Die anderen Männer rückten ab, und so waren sie bald allein.
»Ich habe großen Respekt vor Eurem Handwerk«, sagte Melchior. »Es ist erstaunlich, zu was der Mensch alles in der Lage ist.« Er runzelte die sommersprossige Stirn. »Wenn Euer Tun auch nicht dem entspricht, was ich unter einem ehrlichen Kampf verstehe. Aber wenigstens ist so ein Kampf erfolgreich. Das ist er doch, oder?« Melchior sah den jungen Schmied fragend an.
Mathis spürte, wie er wieder rot wurde. Er fühlte sich durchschaut. Verflucht, warum hatte er die »Dicke Hedwig« nicht vorher wenigstens einmal getestet! Die Steinkugeln schienen genau zu passen, aber wenn auch nur eine von ihnen stecken blieb, flog das ganze Rohr in die Luft.
Nun, wenigstens werde ich die Blamage dann nicht mehr selbst miterleben …
»Nun, äh … davon gehe ich aus, dass der … der Kampf erfolgreich sein wird«, erwiderte er schließlich. »Aber das werden wir wohl erst morgen sehen.«
Melchior von Tanningen nickte und zwirbelte seinen kleinen Spitzbart. »Morgen beginnt die Schlacht. Sie wird laut, schmutzig und gemein. Wohl keine, die es lohnt, als Lied verewigt zu werden. Aber im Grunde gibt es solche Schlachten ohnehin nicht mehr. Vielleicht hat es sie auch nie gegeben.« Er lächelte verträumt, dann deutete er auf ein Leuchten im Wald am Fuße des gegenüberliegenden Berges. »Seht Ihr die Lichter? Jede Wette, dass das Wertingens Späher sind. Spätestens jetzt weiß er ganz genau über unsere Waffen Bescheid. Wir wollen hoffen, dass er mittlerweile nicht auch einen Geschützmeister hat. Aber wenn, dann wird er sicherlich nicht halb so gut sein wie Ihr.«
Mathis zuckte zusammen. Tatsächlich war am Hang ein Leuchten zu sehen. Es schien sich von ihnen wegzubewegen, den Berg hinauf und auf die von Bäumen verdeckte Burg zu. Wenn er die Augen kurz zusammenkniff und aufmerksam spähte, glaubte er dort flackernde Lichter zu sehen.
Der Schwarze Hans erwartete sie.
Mathis wandte sich um, weil er plötzlich Melchiors Hand auf der Schulter spürte.
»So eine Burg ist wie eine eiserne Truhe ohne Schlüssel«, begann der kleine Barde, als hätte er Mathis’ Gedanken erraten. »Nur sehr schwer zu knacken. Ich weiß das, denn ich war schon bei vielen Burgeroberungen zugegen, als Sänger wie auch als Kämpfer. Wenn es nicht sofort gelingt, die Festung zu stürmen, kann es viele Tage, Wochen und Monate dauern. Und ich glaube kaum, dass der Graf dafür die Geduld hat. Zumal er ohnehin ganz andere Pläne verfolgt.«
»Welche Pläne?«, wollte Mathis wissen.
Melchior von Tanningen lächelte. Kurz schien er etwas sagen zu wollen, dann beließ er es bei einem Achselzucken. »Ich habe nicht nur viele Burgeroberungen erlebt«, erwiderte er nach einer Weile, »ich habe auch schon unter vielen
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