Die Burg der Könige
13 . Jahrhundert, dann folgte gleich darauf der Abschnitt über das 15 . Jahrhundert.
Es war, als wäre ein gesamtes Jahrhundert einfach ausgelöscht worden.
Agnes runzelte die Stirn. Offensichtlich wollte irgendjemand nicht, dass sie mehr über Johann von Braunschweig und sein weiteres Schicksal auf dem Trifels erfuhr.
Aber wer?
Soeben wollte sie das Buch zuklappen und wieder zurückstellen, als ein Geräusch sie erneut zusammenzucken ließ. Es war das leise Quietschen der Tür, die sich jetzt wie von Geisterhand öffnete. Eine gebückte Gestalt stand auf der Schwelle.
Es war Pater Tristan.
Einen Augenblick lang kam es Agnes vor, als würde der alte Mönch sie ansehen wie jemanden, den er nicht kannte. Doch dann klärte sich sein Blick.
»Ich wusste gar nicht, dass auch andere Burgbewohner schon so früh auf den Beinen sind«, begann er lächelnd. »Machst du dir Sorgen wegen Mathis? Wirst sehen, der Bursche wird schon bald wieder …« Er sah das Buch auf dem Tisch, und seine Miene verfinsterte sich.
»Ich verstehe«, sagte er leise.
»Ich … ich …«, stotterte Agnes, dann gab sie achselzuckend auf. Schuldbewusst schlug sie die Augen nieder. »Also gut, Ihr habt mich ertappt. Aber ich schwöre Euch, es war reiner Zufall, dass ich diese Geheimtür gefunden habe! Wieso … wieso habt Ihr dieses Buch überhaupt vor mir versteckt?«
»Weil es an Dinge rührt, die man besser ruhenlässt.« Der alte Mönch trat nun an den Tisch und zog das Buch zu sich heran. »Es ist in all den Jahrhunderten schon genug Blut geflossen.«
»Habt Ihr die Seiten denn herausgetrennt?«, wollte Agnes wissen.
Pater Tristan schüttelte den Kopf. »Das geschah lange vor meiner Zeit. Jemand wollte wohl, dass dieses düstere Kapitel für immer vergessen wird. Nicht der schlechteste Gedanke.«
»Was … was war geschehen?«
Ächzend setzte sich der Alte neben sie auf einen Schemel. Er schien mit sich zu ringen, schließlich hob er in einer resignierenden Geste die Hände. »Also gut, bevor du mir hier noch die gesamte Einrichtung durchwühlst. Du gibst ja doch keine Ruhe. Dafür erwarte ich, dass du niemandem gegenüber ein Wort verlierst, auch nicht über die anderen Bücher, die sich in der Geheimkammer befinden! Einverstanden?«
Agnes nickte schweigend. Der alte Mönch seufzte, dann fing er mit leiser Stimme zu erzählen an. Dabei blickte er nachdenklich auf die noch immer aufgeschlagene Seite der Chronik, auf der der Ritterschlag des jungen Johann zu sehen war.
»Johann von Braunschweigs Vater Bernwart war ein mächtiger Mann im Reich, ein Nachfahre des einzigen Welfenkaisers Otto IV. Bernwart von Braunschweig schickte seinen Sohn als Knappen auf diese Burg, damit er sich dort seine Sporen verdiente. Doch offensichtlich schmiedete Johann nach seiner Ernennung zum Ritter eigene Pläne.«
»Was für Pläne?«, fragte Agnes neugierig.
»Nun … es wurde nie bewiesen. Doch es heißt, Johann von Braunschweig wollte als König den deutschen Thron besteigen. Wie du weißt, waren die Welfen neben den Staufern einst das mächtigste Geschlecht im Reich gewesen. Doch nach der schrecklichen kaiserlosen Zeit saßen nicht die Welfen, sondern die Habsburger auf dem Thron. Johann plante wohl ein Komplott gegen den damaligen deutschen König Albrecht, der im Lande nicht sehr beliebt war. Der junge Welfe hatte bereits den sehr einflussreichen Trifelser Burggrafen Reinhard von Hoheneck sowie einige mächtige Fürstenhäuser auf seine Seite gezogen. Doch das Komplott wurde buchstäblich in letzter Minute aufgedeckt …« Pater Tristan machte eine Pause, und Agnes sah ihn gespannt an.
»Was geschah dann, Pater? Nun sagt schon!«
Der alte Mönch seufzte tief. »Die Habsburger machten kurzen Prozess. Sie ließen die gesamte Besatzung des Trifels einkerkern. Burggraf Reinhard von Hoheneck und einige der Anführer wurden gefoltert, wie Tiere ausgeweidet und auf dem Burghof gevierteilt. Ihre Köpfe steckte man als Mahnmal auf die Zinnen des Trifels.« Traurig schüttelte Pater Tristan den Kopf. »Der junge Johann von Braunschweig konnte zunächst entkommen, doch im Speyerer Dom stellten ihn schließlich seine Häscher. Er fiel im Kampf, ohne dass je seine wahre Rolle in der Verschwörung aufgedeckt werden konnte. Kurz darauf entzog König Albrecht dem Trifels sämtliche Privilegien und übergab die Festung einem ihm hörigen Vogt; die berühmten Reichsinsignien brachte man in die ferne Schweiz auf die Kyburg.« Pater Tristan zuckte traurig mit
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