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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Holzschilds, hinter dem sie sich verbargen, wie Pergament wegfegte. Der Krach war so laut, dass er schreien musste, um sich verständlich zu machen. »Wenn die Soldaten Wertingens Männer nicht ablenken, kann ich das Rohr nicht neu justieren!«
    Ulrich Reichhart zögerte kurz, dann nickte er. »Geh du zum Grafen, ich kümmere mich um Hedwig.«
    Er klopfte Mathis kameradschaftlich auf die Schulter, doch dieser wehrte ab. »Ich muss hierbleiben«, sagte Mathis mit fester Stimme. »Wenn einer weiß, wie viel Pulver das Rohr jetzt noch verträgt, dann ich. Es … es wird schon gutgehen.«
    Reichhart sah ihn einen Moment lang an, schließlich ging ein Grinsen über sein Gesicht. »Bist ein guter Junge«, brummte er. »Dein Vater kann stolz sein auf dich.«
    Mit diesen Worten wandte er sich ab und rannte in einem weiten Bogen zur Südseite der Burg. Zwei, drei Pfeile schlugen hinter ihm ein, dann war er außerhalb der Reichweite der Geschosse.
    Mathis wandte sich unterdessen wieder dem Feuerrohr zu und justierte es neu. Schließlich atmete er tief durch. Denn nun erst galt es, sich der größten Gefahr bislang zu stellen.
    Dem Stopfen mit Pulver und Kugel.
    Da der Holzschild zerstört war, war die Kanonenmündung nun völlig ungeschützt. Mathis schätzte, dass er für das Stopfen etwa eine Minute brauchte, eine Minute, in der ihn Wertingens Männer wie einen fetten Kapaun abschießen konnten. Er schloss kurz die Augen und beschloss, an etwas Schönes zu denken. Vielleicht war es ja der letzte Gedanke in seinem Leben.
    Er dachte an Agnes. Unwillkürlich griff er in der Hosen­tasche nach dem hölzernen Amulett, das sie ihm zum Abschied geschenkt hatte. Warm lag es in seiner Hand.
    Dann nahm er sich eine der schweren Steinkugeln, hievte sie ächzend hoch und rannte nach vorne zur Mündung. Während er die Kugel in den Lauf schob, hörte er hinter sich plötzlich ein Zischen. Er duckte sich, und ein Armbrustbolzen flog dicht über seine Schulter hinweg. Intuitiv zählte er im Geiste die Sekunden.
    Achtundzwanzig, neunundzwanzig, dreißig …
    Ein erneutes Krachen ertönte seitlich von ihm, woraufhin eine weitere Holzwand zersplitterte, doch Mathis ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Kugel war nun fast hinten angelangt; dort, wo die Wucht der Explosion am gewaltigsten sein würde.
    Vierzig, einundvierzig, zweiundvierzig …
    Der nächste Armbrustbolzen traf Mathis in den Oberschenkel.
    Er schrie auf, doch er lief nicht weg. Ein letztes Mal trieb er die Stange so tief in die Öffnung, dass sie fast darin verschwand. Erst dann ließ er sich hinter die letzte verbleibende Holzwand fallen, griff nach dem Luntenstock, der neben ihm im Boden steckte, und entzündete schwer atmend die Ladung.
    Neunundfünfzig, sechzig.
    Wieder war der Krach so gewaltig, dass die Welt einen Augenblick stillzustehen schien. Mathis krümmte sich wie ein Säugling zusammen, der abgebrochene Bolzen ragte aus seinem rechten Bein. Er spürte, wie die Erde unter ihm zitterte. Nur gedämpft drangen Schreie an sein Ohr.
    Es waren Jubelschreie.
    Er hatte die hohe Schildmauer diesmal direkt am Fuß getroffen. Hinter den Rauchschwaden zeigte sich nun ein beinahe mannsgroßes Loch in der Wand, Steinbrocken fielen polternd von den Zinnen herab, zwei von Wertingens Va­sallen lagen zerschmettert am Boden, die Glieder seltsam verdreht.
    Mathis’ Herz machte einen Sprung, er hatte es tatsächlich geschafft! Die Mauer war durchbrochen! Dann erst erkannte er, dass das Loch nicht ganz hindurchging. Es war mehr eine tiefe Kerbe, die die Dicke Hedwig in die Wand gerissen hatte. Dahinter war noch immer blanker Stein.
    Einen Schuss mehr! , fuhr es ihm durch den Kopf. Noch einen Schuss, und wir sind durch!
    Aber würde das Feuerrohr einen weiteren Schuss aushalten, ohne zu zerbersten? Wie viel Hitze vertrug die Dicke Hedwig noch?
    Plötzlich hörte Mathis weitere Schreie und jetzt auch Schüsse. Es waren Scharfenecks Landsknechte, die den we­nigen noch kämpfenden Bauern nun tatsächlich zu Hilfe ­kamen. Auch Melchior von Tanningen war unter den Angreifern. Gemeinsam erklommen sie die Sturmleitern oder feuerten aus sicherem Abstand mit ihren Hakenbüchsen auf die Verteidiger auf den Zinnen, die jetzt planlos hin und her liefen. Philipp von Erfenstein hatte es bis auf die Brüstung geschafft, wo er mit zwei von Wertingens Männern wie ein Berserker focht. Der zierliche Barde stand auf einer Leiter oben an den Zinnen und ließ den Degen kreisen. Schreiend fiel ein

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