Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
Cousine wohnte. Dort warteten ein warmer Schlafplatz und eine Schüssel dampfender Eintopf auf sie. Sie hatte es bald geschafft.
    Gerade eben wollte Elsbeth ihre wunden Füße in das kühle Wasser des Rheins tauchen, als sie auf dem Weg hinter sich knirschende Schritte hörte. Sie wandte sich um und sah eine einzelne schwarzgewandete Gestalt die breite Zufahrt zum Fluss herunterkommen. Es mochte sich nur um einen weiteren Reisenden handeln, der ebenso wie Elsbeth die letzte Fähre verpasst hatte, doch irgendetwas ließ die Hebamme den Atem anhalten. Erst nach einer Weile wurde ihr bewusst, was ihr die Nackenhaare aufstellte.
    Nicht nur der Mantel des Mannes war schwarz, auch sein Gesicht war es.
    Mit einem entsetzten Schrei sprang Elsbeth auf und floh von der Mole hinein ins Schilf. Der Fremde zögerte kurz, dann beschleunigte er seine Schritte. Die Hebamme rannte am Ufer entlang, wo ein schmaler Treidelpfad neben dem Fluss herlief. Hier stand das Röhricht mannshoch, so dass sie schon bald nicht mehr sehen konnte, ob der Mann ihr noch folgte. Es war tatsächlich der schwarze Teufel, der sie seit Wochen verfolgte, um ihr das Geheimnis des Ordens zu entreißen.
    Keuchend blieb Elsbeth Rechsteiner einen Augenblick lang stehen und lauschte. Nicht weit entfernt hörte sie das Schilf rauschen und dumpfe Schritte auf dem sumpfigen Boden.
    Der Fremde folgte ihr.
    Sie lief weiter auf dem Treidelpfad und betete dabei lautlos zu allen Heiligen, vor allem aber zum heiligen Fridericus. Hatten die Schergen des schwarzen Mannes auch die anderen Mitglieder ihres Ordens aufgespürt? Dann fiel Elsbeth ein, dass außer ihr ja nur der Vorsitzende von dem vermeintlichen Kloster wusste, und der war vermutlich gerade auf dem Weg dorthin.
    Und dann gibt es natürlich noch einen dritten Mitwisser! , fiel ihr jäh ein. Bei der Jungfrau Maria, ich hätte es nicht weitererzählen dürfen! Es war ein Fehler! Sie werden uns foltern, um den Aufenthaltsort herauszufinden. Über zweihundert Jahre Schweigen, über so viele Generationen hinweg, und nun ist alles aus!
    Keuchend rannte sie durchs Schilf, während hinter ihr noch immer das Rauschen der Halme zu hören war. Die Geräusche kamen näher. Plötzlich teilte sich vor ihr der Weg in zwei noch schmalere Pfade. Sie entschied sich für den rechten davon und stolperte weiter, bis sie mit einem Mal am Rande eines morschen Stegs stand. Vor ihr lag als breites schwarzes Band der Rhein, hinter ihr wogte das Schilf im letzten blassen Licht der Abendsonne. Elsbeth Rechsteiner biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien.
    Sie war in eine Sackgasse gelaufen.
    Nur wenig später teilten sich die Halme, und der schwarze Mann trat heraus. Jetzt im Dunkeln wirkte er in dem teuren, fremdländischen Tuch noch unheimlicher als bei ihrer letzten Begegnung vor Elsbeths Hütte. Als der Fremde sie sah, hob er in einer beruhigenden Geste die Hände und lächelte.
    »Was für eine freudige Überraschung!«, sagte er langsam. Seine Stimme war vom Laufen heiser, sie hatte einen seltsamen Akzent. »Dann hat es also doch gestimmt, was mir deine hübsche Nichte in Waldrohrbach für einen Beutel Münzen erzählt hat.«
    Elsbeth schloss die Augen und wimmerte leise. Konnte es wirklich sein, dass Sophia sie verraten hatte? Ihr Mann, ein trunksüchtiger Zimmermann, hatte ein wundes Bein und konnte seit Wochen nicht mehr arbeiten, die Kinder hungerten. War sie wirklich so weit gegangen, die eigene Tante dem Teufel auszuliefern?
    »Du darfst ihr nicht böse sein«, sagte der schwarze Mann, der ihre Gedanken zu erraten schien. »Sie konnte die Pacht nicht mehr zahlen, und die kleinen Bälger greinen zum Herzerweichen. Außerdem habe ich ihr versprochen, dir nicht weh zu tun. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt.« Er zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Alles, was ich will, ist, dass wir uns ein wenig miteinander unterhalten. Ist denn das so schwer?«
    Die Hebamme sah ihn mit versteinertem Gesichtsausdruck an, noch immer atmete sie schwer von der Hatz. Wochenlang war sie vor dem Fremden geflohen. Sie hatte den Ring weggegeben, sie hatte den Orden gewarnt, das Dokument war fortgebracht worden – doch alles hatte nichts geholfen.
    Er weiß es! , dachte sie. Er weiß, was sich damals zugetragen hat! Irgendjemand muss es ihm verraten haben. Wie gut, dass ich der Bruderschaft nicht alles erzählt habe …
    Am ganzen Leib zitternd stand Elsbeth hier auf einem wackligen Steg am Rhein und war kurz davor, eines der

Weitere Kostenlose Bücher