Die Burg der Könige
Tag verschlafen?«, wollte Mathis von Ulrich Reichhart wissen, der sich mittlerweile einen Humpen Bier aus einem großen aufgebockten Fass gezapft hatte. Der alte Geschützmeister lachte laut.
»Einen? Zum Teufel noch mal, zwei ganze Tage hast du durchgeschlafen! Morgen wollen wir wieder zurück zum Trifels.«
»Aber … was habt ihr so lange hier gemacht?«, fragte Mathis verwundert.
Reichhart nahm einen großen Zug. Er wischte sich den Schaum vom Mund, bevor er antwortete: »Das, was man in Kriegen eben so macht. Wir haben geplündert. Zuerst die Burg, dann die ganze Gegend. Schließlich haben sich die Ramberger Bauern diesem Hund angeschlossen.«
»Doch nur, weil sie mussten!«
»Pah, wen schert das?« Reichhart zuckte mit den Schultern. »Du darfst nicht so weichherzig sein, Mathis. Wir haben gute Beute gemacht, und die Gegend ist wieder sicher. Das ist alles, was zählt. Dieser Barde Melchior ist bereits unterwegs, um es den anderen Lehnsherren zu berichten.« Er grinste. »Hat übrigens gekämpft wie der Teufel, das zierliche Bürschchen. Wenn du mich fragst, ich finde ohnehin, dass er den Degen besser führt als die Laute.«
Mathis wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick näherte sich, gestützt auf seinen Stock, Pater Tristan. Drohend hob der alte Mönch den Zeigefinger.
»Himmelherrgott, Reichhart! Habe ich nicht ausdrücklich verboten, dass der Junge aufsteht?«, schimpfte er. »Er hat viel Blut verloren! Es ist deine Schuld, wenn er mir jetzt noch wegstirbt.«
Reichhart grinste schuldbewusst. »Der stirbt nicht so schnell, Pater. Wer neben der Dicken Hedwig steht, wenn sie zerbirst, und dann noch lebt, den haut so schnell nichts um.«
Lachend schlug er Mathis auf die Schulter und entfernte sich, um sich einen weiteren Humpen Bier zu holen. Erst jetzt spürte der junge Waffenschmied, wie erschöpft er war. An Bein, Hals und Schultern trug er frische Verbände; sein ganzer Körper fühlte sich an wie in feuchtes Laub gehüllt. Ihm schwindelte leicht, und er musste sich wieder setzen.
»Siehst du, wie ich gesagt habe! Von wegen, dich haut nichts um.«
Pater Tristan sah ihn prüfend an, dann ließ er sich seufzend neben Mathis auf einem umgestürzten Wagenrad nieder. »Es gibt nicht viele, denen ich helfen konnte«, sagte er traurig. »Es würde mich deshalb sehr ärgern, wenn auch bei dir alle Arbeit umsonst gewesen wäre.«
Mathis sah hinüber zum Waldrand, wo an den Ästen einer großen Buche die Leiber von mindestens einem halben Dutzend Männern hingen. Sie schaukelten sacht im Abendwind, einige Krähen hatten sich bereits zum Schmaus auf ihnen niedergelassen. Vor dem dunkler werdenden Himmel zeichneten sich die Umrisse der Ramburg ab. Dünne schwarze Rauchfäden zogen an mehreren Stellen empor, in der Vorburg brannten noch immer einige Schuppen und Ställe.
»Wie viele Männer sind tot?«, wollte Mathis wissen.
Pater Tristan runzelte die Stirn. »Ich habe sie nicht gezählt. Bei von Wertingen alle Burgmannen und ein großer Teil der Bauern, die ihm geholfen haben. Auf unserer Seite weniger, darunter aber allein fünf dieser jungen Bauernburschen. Und einem von Scharfenecks Landsknechten ist eine Arkebuse in der Hand explodiert. Den wird nicht einmal mehr der Herrgott erkennen, wenn er denn je vor ihn tritt.« Er schlug ein Kreuz und sah hinüber zum provisorischen Galgen. »Für die dort kommt ohnehin jede Hilfe zu spät.«
»Und der Schwarze Hans?«
»Den hat sich Graf Scharfeneck für einen Schauprozess aufgehoben«, erwiderte der Mönch müde und ließ seine gichtigen Finger knacken. »Er soll in Speyer vor den Augen aller Bürger gehängt, gevierteilt und dann ausgeweidet werden. Aber damit ist Philipp von Erfenstein offenbar nicht einverstanden. Zurzeit streiten sich die beiden darüber in Scharfenecks Zelt.«
Mathis spürte, wie ihm plötzlich flau im Magen wurde. Er hielt sich an Pater Tristans Schulter fest, um nicht umzukippen. Der Mönch zog eine kleine Flasche hervor und gab sie ihm.
»Trink das. Es ist eine Arznei aus Blutwurz und Arnika, die dich stärken wird. Agnes hat sie extra für dich gebraut, kurz bevor ich ging.«
Dankbar nahm Mathis einen tiefen Zug. Das Getränk schmeckte süß und aromatisch, er spürte, wie die Flüssigkeit warm in seinen Bauch lief. Sofort fühlte er sich ein wenig besser.
»Wie … wie geht es Agnes?«, wollte er schließlich zaghaft wissen.
»Wie wohl? Sie macht sich Sorgen um dich, du Dummerjan! Als die ersten Boten gestern bei
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