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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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zwinkerte Mathis zu. »Wenn du ihn auch fast hättest entwischen lassen. Gut, dass wir ihn dort draußen noch aufgestöbert haben. Das Schwein hat doch tatsächlich vor seinem Tod um Gnade gefleht. Aber von uns kann er kein Mitleid erwarten.« Der Schäfer-Jockel spuckte auf den geweihten Boden. »Hat er denn je Mitleid mit uns Armen gehabt, pah! Ein paar Stücke schimmliges Brot für uns und das Gold für die Pfaffen. Doch damit ist jetzt Schluss!«
    Er ließ sich von Paulus den schweren Beutel reichen und durchwühlte ihn gierig.
    »Was meinst du, Mathis?«, kicherte er. »Wie viele Arke­busen kann man davon wohl kaufen? Wie viel Schießpulver? Wenn wir wollen, können wir den gesamten Speyerer Dom in die Luft jagen, nicht wahr?«
    »Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, erwiderte Mathis kurz angebunden.
    Nun öffnete sich auch das große vordere Portal, und die Bauern traten schweigend in die Kirche. Mathis beobachtete, wie einige von ihnen den Hut vom Kopf nahmen, andere schlugen verstohlen ein Kreuz.
    Sie werden es nicht wagen, die Mönche hier umzubringen , dachte Mathis. Nicht neben dem Taufbecken, in dem ihre Kinder getauft wurden.
    Die etwa zehn noch unverletzten Mönche knieten mittlerweile an einem Seitenaltar vor dem Standbild der Heiligen Jungfrau Maria. Ängstlich sahen sie zu den Bauern hinüber. Es herrschte eine erwartungsvolle Stille, in der nur das Prasseln der Flammen von den benachbarten Schuppen zu hören war.
    Entschlossen schritt der Jockel auf die steinerne Kanzel zu, die sich in etwa drei Schritt Höhe nahe dem Chor befand. Er stieg die marmornen Stufen empor, umklammerte mit den Fingern die Brüstung, dann sah er wie ein stolzer Heerführer auf seine schmutzige Schar Bauern hinunter.
    »Freunde, Brüder, wir haben einen Sieg errungen«, ließ er seine Stimme durch den weiten Bau der Kirche ertönen. »Aber es ist nur der erste Sieg, viele weitere werden folgen. Die Macht des Adels und der Kirche hat endlich ein Ende!«
    Die Männer schrien und johlten, viele schienen erst jetzt ihren Respekt vor dem geweihten Gebäude gänzlich abzulegen. Sie stampften mit den Füßen auf und warfen ihre Sicheln und Sensen in die Höhe.
    Der Schäfer-Jockel deutete jetzt auf den Haufen Mönche, die wie verschreckte Lämmer vor dem Marienaltar kauerten. »Diese Pfaffen haben euren Wein gesoffen, sie haben euer Brot gefressen und eure Kälber geschlachtet!«, rief er hinaus in die Kirche. »Jahrein, jahraus habt ihr brav euren Kirchenzehnten gezahlt, eure Kinder mussten hungern, während die fetten Weißkittel derweil in Saus und Braus lebten.« Ganz plötzlich kippte er den Inhalt des Sacks über die Brüstung der Kanzel, so dass die silbernen Kerzenleuchter, Pokale und Münzen mit lautem Geschepper auf dem Boden aufschlugen. »Das alles haben sie euch geraubt!«, schrie er. »Und nun sollen sie endlich dafür bestraft werden. Deshalb sage ich, hängt sie! Hängt sie draußen an die Fensterstöcke ihrer Kirche, auf dass ihre lieben Mitbrüder von den anderen Klöstern sehen, was mit denen geschieht, die uns so lange bestohlen haben!«
    Wieder johlten die Männer, doch diesmal klang es verhaltener als vorher. Mathis sah nicht wenige ängstliche, verstohlene Blicke. Ulrich Reichhart, der in einer der hinteren Reihen stand, schüttelte den Kopf und machte ein abfälliges Geräusch. Das Jammern und Beten der Mönche schwoll an zu einer einzigen klagenden Litanei.
    »Seid still! Seid endlich still, alle hier!«
    Mathis hatte die Stimme erhoben, ohne dass er es beabsichtigt hatte. Nun starrten ihn die Männer erwartungsvoll an.
    Sie wollen, dass ich ihnen sage, was sie tun und lassen sollen. Verflucht, warum habe ich nicht einfach meinen Mund gehalten!
    »Wir … wir haben erreicht, was wir wollten«, fuhr er zögerlich fort. »Das Kloster ist erobert, die Vorratskeller und die Kirchenschätze sind unser, der Abt hat seine gerechte Strafe erhalten. Nun wollen wir diesen Blutsaugern zeigen, wie sich wahre Christenmenschen verhalten. Sie üben Gnade.«
    Ein Gemurmel ging durch die Basilika, die Männer sprachen leise miteinander.
    »Unser Feind ist nicht Gott«, hob Mathis mit erstarkender Stimme an. »Es ist die römische Kirche, die uns auspresst. Der Papst und seine Kardinäle und Bischöfe. Dieser Martin Luther sagt …«
    »Luther ist keinen Deut besser als die anderen Pfaffen!«, unterbrach ihn jäh der Schäfer-Jockel. Oben von der Kanzel aus war seine Stimme viel lauter und kräftiger zu hören als die

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