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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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von Mathis. »Ja, er verspricht euch das Himmelreich, aber nur wenn ihr auf Erden hübsch brav gewesen seid. Mit dem Kurfürsten von Sachsen steckt dieser Luther unter einer Decke, er ist keiner von uns, er gehört zu den Unterdrückern!«
    »Wir selber gehören zu den Unterdrückern, wenn wir so handeln wie sie!«, warf Mathis ein und wandte sich fast flehentlich an die umstehenden Bauern. »Ich sage euch, wenn wir diese Mönche hängen, dann sind wir keinen Deut besser als der verfluchte Annweiler Stadtvogt Gessler, der für seine Taten nun in der Hölle schmort!«
    Der letzte Satz führte zu weiterem Gemurmel unter den Männern. Mathis sah, wie sie nickten und ihre Köpfe zusammensteckten. Die Finger Jockels krallten sich um die Brüstung der Kanzel, unruhig ließ er den Blick über seine Untertanen schweifen; er spürte offensichtlich, wie sie ihm langsam entglitten.
    »Wenn wir diese Mönche laufenlassen, werden sie zu ihrem Bischof rennen und ihm erzählen, dass wir weich und hasenfüßig sind«, versuchte er es ein weiteres Mal, diesmal mit milderer Stimme. »Freunde, wir dürfen keine Gnade zeigen, sonst ist der Kampf aussichtslos! Wir müssen …«
    »Ich habe in der letzten Stunde drei Männer umgebracht«, fuhr nun Ulrich Reichhart dazwischen. »Mir reicht es. Ich will kein neues Blut an meinen Händen.«
    »Diese Mönche waren nicht alle schlecht«, meldete sich ein weiterer Mann, ein Greis, der sich zitternd auf seine Sense stützte. »Denkt nur an Pater Tristan. Wie viele von uns hat er mit seinen Arzneien geheilt!«
    »Bruder Emanuel hat unseren Kindern immer einen Kanten Brot gegeben«, gab ein jüngerer Bauer zu bedenken, »und jetzt liegt er dort draußen in seinem Blut. Das kann nicht recht sein.«
    Der Schäfer-Jockel verdrehte die Augen. »Ihr werdet immer irgendein Mönchlein finden, das einem Bauern einen Brotkrumen zusteckt«, erwiderte er. »Aber das Fleisch behalten sie dennoch. Das Fleisch und das Gold. Sie besänftigen euch, sie singen euch in den Schlaf, und dann …«
    »Ich habe meine Wahl getroffen«, verkündete Ulrich Reichhart mit fester Stimme. »Ich werde keinen weiteren dieser Mönche töten. Lasst uns lieber draußen die Feuer löschen, bevor wir kein Dach mehr über dem Kopf haben.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging hinaus. Nach einer Weile folgten ihm zwei, drei weitere Männer. Die anderen tuschelten noch eine Weile, schließlich verließen sie einzeln und in Gruppen die Kirche. Am Ende blieben von den Aufrührern nur noch Mathis und der Schäfer-Jockel übrig. Hinten am Marienaltar stimmten die Zisterziensermönche einen leisen Choral an, viele von ihnen zitterten und weinten oder hatten sich mit ausgebreiteten Armen wie lebendige Kreuze auf den kalten Kirchenboden gelegt.
    »Das verzeih ich dir nie, Mathis!«, zischte Jockel von der Kanzel herab. Mit seinem Buckel, den drei Fingern an der rechten Schwurhand und dem stechenden Blick erinnerte er Mathis an eine der klösterlichen Teufelsfratzen, die von der Decke auf sie beide herabstarrten. »Dass du mich so im Stich lässt. Ich bin immer noch dein Anführer, vergiss das nicht!«
    Mathis zuckte mit den Schultern. »Ich dachte eigentlich, der Sinn unseres Aufstands ist, dass wir uns der Herrscher entledigen«, entgegnete er kühl. Er drehte sich um und ging erhobenen Haupts durch das Portal nach draußen, wo die brennenden Gebäude den frühen Morgen erhellten.
    Als Mathis die hasserfüllten Blicke in seinem Rücken spürte, ahnte er, dass er sich einen mächtigen Feind gemacht hatte.
    ***
    Gut zwei Stunden später stapfte Mathis durch die letzten verbliebenen Schneehaufen über das Klostergelände und half bei den Aufräumarbeiten. Es galt, Brände zu löschen, eingeschlagene Türen zu vernageln, Verletzte zu versorgen und Tote wegzutragen.
    Die Bauern hatten alle Leichen säuberlich neben dem Friedhof aufgereiht; starr und bleich lagen Mönche und Klosterknechte neben den Aufständischen, so als hätte der Tod sie vereint. Auf einem Haufen vor der Kirche stapelten sich, gut bewacht von den beiden Leibwachen Jannsen und Paulus, die erbeuteten Kirchenschätze. Immer wieder wanderten be­gehrliche Blicke hinüber zu den vielen silbernen Kerzenständern, Truhen, Schatullen, vergoldeten Kreuzen und Heili­genstatuen. Doch der Jockel hatte klargemacht, dass jeder Diebstahl harte Strafen nach sich ziehen würde. Eine Drohung, die Mathis unterstützte. Schließlich sollte das Geld zum Kauf von Feuerwaffen, aber

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