Die Burg der Könige
die anderen zu achten. Bis jetzt hatte er sich bei der Plünderung des Klosters zurückhalten wollen, doch nun ging es darum, wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Im Weglaufen sah er sich nach dem Schäfer-Jockel um, der noch immer hinter dem Weißdornstrauch hervorlugte. Nach einigem Zögern fing auch der Jockel zu rennen an. Schreiend zog er den glänzenden Säbel, den er einem marodierenden Landsknecht abgenommen hatte. Seine zwei Leibwachen stürmten mit Spießen los, und schließlich folgte auch Ulrich Reichhart.
»Nieder mit der Pfaffenbrut!«, rief der Jockel. »Tötet sie alle!«
Mathis fluchte leise. Das war eindeutig gegen die Abmachung! Sie waren sich einig gewesen, den Angriff so unblutig wie möglich zu führen, schon um den Zweibrückener Herzog nicht unnötig zu reizen und ein verfrühtes Eingreifen der herzoglichen Landsknechte zu vermeiden. Nun hatte es den Eindruck, als wollte der Jockel in Blut baden.
Als Mathis durch das offene Tor auf das Kloster zustürmte, war das Hauen und Stechen bereits in vollem Gange. Einige leblose Klosterknechte und zwei Mönche lagen verkrümmt am Boden vor der Kirche, aber auch etliche Bauern waren unter den Toten. Ein großer, breitschultriger Hüne im einfachen weißen Habit der Zisterzienser kämpfte mit einem abgebrochenen Spieß gleich gegen drei der Aufständischen. Er blutete aus mehreren Wunden und schrie ein Ave-Maria hinaus in die Morgendämmerung, während er einem Bauern den Spieß in die Seite rammte. Entsetzt erkannte Mathis, dass es sich um den sonst so freundlichen Bruder Jörg handelte, der ihm letztes Jahr gelegentlich beim Gießen des Geschützes geholfen hatte. Mathis’ Füße traten in eine warme Lache aus Blut; die Augen starr geradeaus gerichtet, stürmte er weiter auf das Dormitorium zu, wo sich die Mönchszellen befanden. Vielleicht konnte er wenigstens ein paar Leben retten.
Auch vor dem Dormitorium, einem großen Gebäude aus rotem Sandstein, das direkt an die Kirche anschloss, wurde bereits gekämpft. Von einem umgestürzten Karren herab hieben drei Männer mit Schwertern auf die anstürmenden Bauern ein. Seitdem das Kloster in den letzten Jahrzehnten immer wieder Ziel von Überfällen gewesen war, hatten die Zisterzienser eine Reihe Knechte verpflichtet, die sich nun verzweifelt den Angreifern in den Weg stellten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie allesamt niedergemetzelt waren.
Mathis rannte an zwei Männern vorbei, die auf einem in der Kälte dampfenden Misthaufen mit Dolchen miteinander rangen, wich einem aus dem Dunkel geworfenen Stein aus und betrat das Gebäude, das er von früheren Besuchen her kannte. Ein paar johlende Bauern kamen ihm entgegen, die Arme schwer beladen mit Kerzenleuchtern und allerlei glitzerndem Tand. Offenbar hatten die Plünderungen bereits begonnen, von irgendwoher konnte Mathis leichten Brandgeruch ausmachen.
Als er um die Ecke bog, stand er endlich in dem Gang, von dem die einzelnen Schlafzellen wegführten. Die meisten der Kammern standen offen, Mönche liefen jammernd an ihm vorbei. Einige knieten und beteten, andere lagen bereits leblos und blutend zwischen ihren Mitbrüdern.
»Habt keine Angst!«, rief Mathis laut, wobei ihm im gleichen Augenblick gewahr wurde, wie lächerlich diese Worte angesichts des sie umgebenden Grauens klingen mussten. Trotzdem fuhr er fort: »Wenn ihr tut, was ich euch sage, soll euch kein Leid geschehen!«
Die Mönche hielten kurz in ihrem Jammern inne und starrten ihn verängstigt an.
»Ich … ich kenn dich doch«, sagte schließlich einer von ihnen, ein besonders fetter Pater, dem die weit geschnittene weiße Tunika am Bauch spannte. »Du bist doch der Sohn vom Trifelser Burgschmied.« Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Hasses. »Gott verfluche dich! Dich und deine Mordbande!«
»Gott wird später über mich richten«, erwiderte Mathis. »Vielleicht ist er nicht gar so streng mit mir, wenn ich einigen seiner Diener vorher das Leben rette. Folgt mir! Jeder, der hierbleibt, ist verloren!«
Die Mönche verharrten kurz ratlos, sie murmelten und beteten, doch Mathis war bereits weitergeeilt. Schließlich rannten sie hinter ihm her, einige halfen ihren verletzten Mitbrüdern und schleppten sie den Gang entlang, in dem der Brandgeruch jetzt immer stärker wurde. Von draußen war das Knistern von Flammen zu hören, offenbar brannten bereits die ersten Schuppen und Ställe. Auch aus der Gusswerkstatt züngelten Rauchfahnen.
Wenn die Männer
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