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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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gut.«
    »Ich weiß noch mehr Dinge, die meiner Gesundheit nicht guttun. Meine Gefangenschaft zum Beispiel.«
    Lannoy lächelte. »Darauf habe ich leider keinen Einfluss. Auf Euer leibliches Wohl dagegen schon.«
    Mit einer Geste der Ergebenheit griff Franz seufzend zu den Wachteln und begann an einem der Beinchen zu nagen. Tatsächlich hatte er im letzten Vierteljahr gehörig abgenommen, seine Wangen waren eingefallen, die Kleider schlotterten ihm am Leib. Dabei kümmerte sich Lannoy wirklich gut um ihn. Der niederländische Adlige war ein enger Freund von Karl V., er hatte als einer der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen den französischen König in Pavia in die Gefangenschaft geführt, seitdem behandelte er ihn auf der Festung Pizzighettone mit der einem Herrscher gebührenden Ehrerbietung. Die Männer spielten gemeinsam Schach, sie unterhielten sich über Gedichte und Weltpolitik, und Lannoy lieh dem König Geld, damit dieser sich Bücher, eine reinrassige Dogge und sogar zwei zahme Raben zu seiner Erbauung kaufen konnte. Franz hatte die beiden Vögel auf die Namen Romulus und Remus getauft. Sie waren seine gehorsamsten Zuhörer.
    »Darf ich?« Lannoy wies auf dem leeren Stuhl gegenüber, und Franz nickte zustimmend.
    »Es geht um Eure geplante Weiterreise nach Neapel«, begann der Großmarschall. »Als Euer Freund möchte ich Euch warnen.«
    »Warnen?« Franz stellte den Weinpokal weg und sah Lannoy erwartungsvoll an. »Warum warnen?«
    Vor gut einer Woche hatte Charles de Lannoy den König davon in Kenntnis gesetzt, dass er plante, ihn nach Neapel zu überführen. Über geheime Kanäle hatte Franz diese brisante Information seiner Mutter Louise zukommen lassen, die an seiner statt derzeit regierte. Seitdem plante Louise seine Flucht. Eine französische Flotte sollte die kaiserliche Galeere vor dem Hafen Neapels im Handstreich nehmen. Hatte Lannoy etwa davon erfahren?
    »Ihr wisst, warum ich Euch nach Neapel bringen lassen möchte«, fuhr der Großmarschall fort. »Im Gegensatz zu mir und anderen Mitgliedern des Kaiserlichen Rats wünscht Großkanzler Gattinara Euren Tod. Er hält es nach wie vor für zu gefährlich, Euch weiterleben zu lassen. Hier in der Lombardei wäre es für ihn ein Leichtes, diese Festung zu überfallen und den Vorfall jemand anderem in die Schuhe zu schieben.« Lannoy zuckte mit den Schultern. »Genuesische Freiheitskämpfer, die auf Rache sinnen, ein venezianisches Komplott, ein vom Verräter Bourbon geplantes Attentat … Es würden sich viele Schuldige finden lassen. In Neapel dagegen seid Ihr sicher. Nicht allerdings auf der Fahrt dorthin.«
    »Und was soll ich Eurer Meinung nach unternehmen?«, fragte Franz, erleichtert, dass Lannoy nichts von den Fluchtplänen zu wissen schien.
    »Schreibt dem Kaiser einen Brief. Bittet ihn, direkt nach Spanien reisen zu dürfen, um sich dort in seine Obhut zu begeben.«
    Franz lachte. »Ich soll mich in die Höhle des Löwen wagen? Das ist verrückt, Lannoy! Gerade wenn Gattinara meinen Tod plant, laufe ich ihm dort doch in die Falle!«
    »Gattinara wird es nicht wagen, Euch vor den Augen des Kaisers liquidieren zu lassen.« Lannoy sah ihn eindringlich an. »Glaubt mir, in Spanien seid Ihr am sichersten. Der Alcázar in Madrid ist uneinnehmbar.« Er stand auf und verbeugte sich leicht. »Vertraut dem Rat eines Freundes, Exzellenz. Wendet Euch an den Kaiser, er ist Euch wohlgesinnt. Und nun wünsche ich Euch guten Appetit.«
    Mit einem letzten Nicken begab sich der Großmarschall zum Ausgang. Hinter ihm verschlossen die Wachen die Tür, und Franz war wieder allein in seinem Kerker. Grübelnd stocherte er in der Fischpastete.
    Gattinara will meinen Tod. Was ist, wenn er von den Fluchtplänen weiß und das Scharmützel dazu nutzt, mich umbringen zu lassen?
    Nach einer Weile legte der König das Messer zur Seite und begab sich zum Käfig am Fenster, in dem einer seiner beiden Raben ihn neugierig musterte. Franz fütterte den Vogel mit Forellenstücken und kraulte ihm dabei das schwarze Gefieder.
    »Wo ist dein Bruder?«, murmelte er. »Es wird ihm doch nichts passiert sein?«
    Er stieß einen Pfiff aus, so leise, dass ihn die Wachen unmöglich hören konnten. Gegenüber Lannoy hatte Franz behauptet, den Raben kleine Kunststückchen beizubringen, die ihn von der Tristesse der Gefangenschaft ablenken sollten. Doch das stimmte nur zum Teil. Das einzige Kunststück, das die klugen Tiere tatsächlich beherrschten, war, zu einer alten Zypresse

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