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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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jenseits der Festungsmauern zu fliegen und von dort wieder zu ihm zurück. An jener Zypresse wartete einer von Franz’ Boten. Auf diese Weise konnte der König jederzeit Nachrichten aus Pizzighettone hinausschmuggeln. Doch heute Nachmittag war Romulus nicht zurückgekehrt. Franz konnte von Glück reden, dass Lannoy sein Fehlen nicht bemerkt hatte.
    Noch einmal pfiff der König leise, und diesmal ertönte von irgendwoher fernes Flügelschlagen. Aus der hereinbrechenden nächtlichen Dunkelheit näherte sich der Rabe und schlüpfte durch die Gitterstäbe.
    »Na, mein Freund?«, begrüßte ihn Franz erleichtert. »Was hast du dort draußen bloß so lange getrieben? Weißt du nicht, dass ich und dein Bruder sich Sorgen machen?« Er befühlte die rechte Klaue des Vogels und zog schließlich ein kleines Röllchen hervor, in dem ein winziges Stück Papier steckte. Aufgeregt entfaltete er es und las die verschlüsselte Nachricht.
    Nach einer Weile breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Königs aus, und er warf dem Raben ein besonders großes Stück Fisch zu.
    »Nimm, treuer Gefährte. Das hast du dir redlich verdient.«
    Franz I. setzte sich wieder an die Tafel und begann mit großem Appetit zu essen. Gott hatte offenbar ein Einsehen mit Frankreich, nach all den Niederlagen der letzten Monate kehrte das Glück wieder zu ihm zurück!
    Vielleicht würde jetzt doch noch alles gut werden.
    ***
    Der Mond schien hell auf Würzburg, und Mathis richtete zum wiederholten Mal das Geschütz auf die Festung Marienberg aus, als er aus dem Augenwinkel ein flackerndes Leuchten wahrnahm. Er drehte sich um und sah einen Bauern, der mit erhobener Fackel nur wenige Schritte entfernt durch die Gassen spazierte.
    »Himmelherrgott, wie oft muss ich noch sagen, dass ich kein offenes Feuer in der Nähe der Geschütze dulde!«, schimpfte Mathis, und der Bauer sah ihn erschrocken an. Der frischernannte oberste Geschützmeister des Hellen Haufens deutete auf einige Säcke Schießpulver, die zu einem kleinen Berg aufgetürmt am Boden lagen. »Ein Funken nur, und hier gähnt ein Loch, so groß wie ein Dorfweiher. Dann bleibt von dir und mir nicht mal so viel übrig, wie in einen Löffel passt!«
    Der schmächtige Mann murmelte eine Entschuldigung, dann machte er sich schnell zu seinen Kumpanen davon, nicht ohne sich vorher noch einmal nach dem jungen Tausendsassa umzusehen, der die verhasste Würzburger Festung wohl schon bald in einen brennenden Schuttberg verwandeln würde.
    Mathis rieb sich müde die Augen. Seit Tagesanbruch schon kümmerte er sich mit einer Abordnung Bauern um die wenigen rostigen Geschütze, die das Heer mit sich führte; er hatte nur wenige Stunden geschlafen. In den letzten zehn Tagen waren sie brandschatzend durch die Gegend rund um Würzburg gezogen, immer weiter nach Norden, sie hatten Burgen, Schlösser und Klöster gestürmt, während die Dörfer und Städte sich ihnen meist freiwillig anschlossen. Mathis’ Ruf als erfahrener Geschützmeister war von Angriff zu Angriff gewachsen, doch er fühlte keine rechte Freude dabei. Die wenigen Landsknechte, die die Bauern gefangen nahmen, hatten er und Melchior alle nach einem Gauklertrupp mit einem Affen und einem Papagei befragt, jedoch vergeblich. Agnes schien vom Krieg verschluckt worden zu sein, und so waren die beiden schließlich mit Götz von Berlichingen und seinem sogenannten Hellen Haufen bis nach Würzburg gelangt.
    Die reiche Bischofsstadt hatte den Bauern schon nach kurzem Zögern die Tore geöffnet, die Bürger waren ihnen begeistert entgegengelaufen. Nur Marienberg, die Festung des Erzbischofs, die über dem Main auf einem steilen Hügel lag, befand sich noch in den Händen der Feinde. Der verhasste Fürstbischof Konrad von Thüngen war nach Heidelberg geflohen, und der Dompropst weigerte sich, die Festung zu übergeben. Nach heftigen Diskussionen hatten die Würzburger Bürger und die Bauern schließlich gemeinsam beschlossen, Marienberg anzugreifen, auch mit Hilfe von Mathis. Dabei war ihm klar, dass seine herausgehobene Stellung vor allem einen Grund hatte: Ausgebildete Geschützmeister waren im Heer der Aufrührer in etwa so rar wie Goldkörner in einem Haufen Pfälzer Sand.
    Mathis wischte sich Schweiß, Schmutz und Pulverstaub von der Stirn und eilte hinüber zum nächsten Feuerrohr. Diesen einen Kampf musste er für die Bauern noch kämpfen, bevor er weiter nach Agnes suchen konnte. Er hatte keine andere Wahl: Götz von Berlichingen hatte Mathis und

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