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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Melchior von Tanningen in den schillerndsten Farben ausgemalt, was einem desertierten Geschützmeister drohte. Vierteilung war dabei das geringste Übel.
    Die meisten der Geschütze hatte Mathis in der Nähe der Deutschhauskirche im Mainviertel aufstellen lassen. Von hier aus hatte er den besten Schusswinkel. Über ihm ragte düster und trutzig die Festung Marienberg empor. Ihre Türme wirkten bullig, die Mauern stark und fest; noch nie hatte ein Feind sie bezwungen. Mathis hatte gehört, dass die belagerten Männer dort oben eine eigene Pulvermühle und neu geschmiedete Feuerrohre besaßen; er selber musste mit dem vorliebnehmen, was die Bauern auf ihren Feldzügen erbeutet hatten: rostige, teils verbogene Geschütze, die zum Teil noch aus dem letzten Jahrhundert stammten.
    Es fehlte an Pulver, an Kugeln und vor allem an fähigen Handwerkern, die diese Höllenmaschinen bedienen konnten. Neben Mathis gab es noch einen einzigen fähigen Geschützmeister in Würzburg, daneben ein paar Waffen- und Werkzeugschmiede, die sich mehr schlecht als recht auf Feuerwaffen verstanden. Mathis konnte nur froh sein, dass Melchior von Tanningen erstaunlich viel über Kriegskunst wusste. Schon nach wenigen Tagen des Lernens und Ausprobierens war der Barde in der Lage gewesen, den Bauern die nötigen Anweisungen zu geben. Zurzeit hielt er sich zusammen mit dem Würzburger Geschützmeister an einer Schanze am ­Nikolausberg auf, wo einige weitere Geschütze postiert waren.
    Das Geräusch geschmeidiger Schritte ließ Mathis von seiner Arbeit aufblicken. Kurz glaubte er, ein weiterer schafschädliger Bauer würde sich selbst und das Leben anderer gefährden, doch es war ein hochgewachsener Mann, der die Tracht eines Adligen trug.
    »Der Mond leuchtet wie eine große Laterne, Meister Wielenbach«, sagte der Mann lächelnd und hob die Hand zum Gruß. »Vielleicht sollten wir noch vor Tagesanbruch mit dem Sturm beginnen. Dann haben wir es wenigstens hinter uns.«
    Mathis verbeugte sich leicht, als der schwarzhaarige Recke mit dem modisch ausgeschnittenen Backenbart näher trat. Er hatte Florian Geyer bislang drei, vier Mal getroffen und war von ihm sehr angetan. Wie Götz von Berlichingen stammte Geyer aus einem alten fränkischen Rittergeschlecht aus der Nähe von Würzburg. Als junger Mann war er als Gesandter zu Heinrich VIII. geschickt worden, er sprach fließend Englisch, beherrschte den höfischen Benimm und galt als größter Hoffnungsträger seines Hauses – doch dann hatte er sich urplötzlich den Bauern und ihrer Sache angeschlossen.
    In den wenigen Gesprächen mit ihm war der junge Waffenschmied zu dem Schluss gekommen, dass Florian Geyer ebenso wie er an die Gerechtigkeit und an das Gute im Menschen glaubte. Außerdem war er der geborene Anführer. Mit ihm an der Seite hatte Mathis zum ersten Mal seit langem wieder das Gefühl, der Kampf der Bauern könnte von Erfolg gekrönt sein.
    »Zum Zielen brauche ich wenigstens ein bisschen Tageslicht«, sagte Mathis und ließ seinen Blick prüfend über die dunkle Festung schweifen. »Ab fünf Uhr morgens sollte das Schießen möglich sein. Obwohl ich auch nicht glaube, dass es wirklich eine gute Idee ist, die Festung anzugreifen«, fügte er düster hinzu. »Die dort oben sind bestens gerüstet.«
    Geyer zuckte mit den Schultern. »Wem sagt Ihr das? Diese Belagerung hält uns nur auf, während der Truchsess sich mit seinem Schwäbischen Bund weiter rüstet. Aber für viele Bauern und Bürger ist Marienberg nun mal der Sitz ihres Erzfeindes Fürstbischof Konrad. Die Festung ist ein Symbol, nicht mehr und auch nicht weniger.«
    »Wir werden uns die Köpfe daran blutig hauen, nicht mehr und auch nicht weniger«, erwiderte Mathis.
    Geyer grinste. »Nicht, wenn Ihr so gut zielt, wie Ihr es bislang schon bewiesen habt. Außerdem gibt es da immer noch meine Jungs, vergesst das nicht.«
    »Gewiss.« Mathis nickte zögerlich und begann, das nächste Geschütz zu stopfen. Seit seiner Feuertaufe mit dem in Stücke geschossenen Schuppen hatte er sich einen Namen unter den Bauern gemacht; im Feld galt er trotz seiner erst achtzehn Jahre mittlerweile als unersetzbar, und selbst Götz von Berlichingen hatte sich brummelnd zu einem Kompliment herabgelassen. Mindestens ebenso wertvoll wie Mathis’ Geschütze waren jedoch die etwa zweihundert Männer, die Florian Geyer direkt unterstanden und von ihm persönlich ausgebildet worden waren. Sie nannten sich »Schwarzer Haufen«, da sie ganz in Schwarz

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