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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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taten und einen kurzen Blick unter die Kapuze warfen, stießen einen leisen Schrei aus; manche bekreuzigten sich.
    Die Augen des Fremden funkelten in dem ebenholzfarbenen Gesicht wie die des sagenhaften Wüstenlöwen, dunkle Haarlocken ringelten sich um seine Stirn gleich züngelnden Schlangen. Reisende wie ihn kannte man in Mainz nur von Bildern her oder aus Alpträumen, und so murmelten die erschrockenen Bürger ein stilles Gebet, bevor sie sich schnell davonmachten, um ihren Freunden und Angehörigen von dem seltsamen schwarzen Mann zu erzählen.
    Caspar blickte empor zu dem gewaltigen Dom, der ihm im Gewimmel der kleinen Gassen und kotbedeckten Straßen als Orientierung diente. Einst war Mainz ein Zentrum des Deutschen Reiches gewesen, Kaiser Barbarossa hatte hier bei der Schwertleite seiner Söhne das größte, ausschweifendste Fest des Mittelalters gefeiert, Friedrich II. war später im Dom zum König gekrönt worden. Und ein gewisser Johannes Gutenberg hatte in Mainz vor fast hundert Jahren den Buchdruck erfunden, der mittlerweile in ganz Europa verbreitet war. Doch verglichen mit Paris, London oder Konstantinopel wirkte die Stadt wie ein Provinznest. Der Schmutz stand knöchelhoch in den Gassen, viele der hölzernen Fachwerkhäuser faulten und standen kurz davor zusammenzufallen. Aber wenigstens war es ein zivilisierter Ort, der einem Reisenden wie Caspar ein Mindestmaß an Schutz gewährte.
    Vor längerer Zeit hatte er von seinem Auftraggeber hier einen Kontaktmann genannt bekommen, an den er sich im Notfall wenden konnte. Und dies war, bei Gott, ein Notfall. Seit zwei Tagen konnte Caspar sich kaum noch auf den Beinen halten, es hatte ihn viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet, Mainz zu erreichen. Schwer atmend blieb er stehen, während ihn ein weiterer Fieberanfall schüttelte, dann schleppte er sich mühsam weiter, auf der Suche nach einer ganz bestimmten Adresse.
    Die drei abergläubischen Köhler im Wald waren beinahe sein Ende gewesen. Bis zum Kopf hatten sie ihn, den vermeintlichen Dämon, eingegraben und dann zurückgelassen. Ein tödlicher Fehler, denn Caspar war es gelungen, sich selbst zu befreien. Er war ihren Spuren gefolgt und hatte dafür gesorgt, dass die Köhler in den letzten Momenten ihres Lebens wirklich glaubten, ein Dämon falle über sie her. Auf diese Weise hatte er auch seine Waffen wiedergefunden. Doch beim Sturz vom Pferd hatte er sich einige Rippen gebrochen, und ein schweres Fieber hatte ihn erfasst. Fast eine ganze Woche lag er in der Köhlerhütte, während draußen die drei Leichen verwesten und schließlich von wilden Tieren zerrissen wurden.
    Danach hatte Caspar sich wieder auf den Weg gemacht, humpelnd, keuchend, ohne Pferd und immer in der Sorge, seine Hautfarbe könnte ihm noch einmal Schwierigkeiten bereiten. In diesem verfluchten Deutschen Reich glaubten die Menschen offenbar hinter jeder Ecke einen schwarzen Teufel hervorspringen zu sehen.
    Sie werden mir für diesen Auftrag einen Haufen Geld zahlen müssen. O ja, einen großen Haufen!
    In Caspars Brust stach es wie von tausend Messern. Er stöhnte auf, dann versuchte er sein Glück in einer weiteren Gasse, in der einige schmutzstarrende Kinder mit einem Holzkreisel spielten. Als die Knaben ihn sahen, liefen die meisten von ihnen schreiend davon. Nur ein etwa achtjähriger Junge blieb mit offenem Mund direkt vor ihm stehen.
    »Das Wirtshaus zum Goldenen Brunnen«, keuchte Caspar und bleckte seine weißen Zähne. »Wo finde ich das?«
    Schweigend deutete der Knabe nach rechts, wo eine weitere verwinkelte Gasse abbog. Caspar nickte und wandte sich grußlos ab. Hinter sich hörte er es rascheln und tuscheln, als ihm die Kinderbande in sicherem Abstand folgte. Er scherte sich nicht darum und hinkte weiter. Endlich tauchte vor ihm ein schmuckes kleines Gasthaus auf, vor dessen Eingang ein Blechschild quietschend im Wind hin und her schwang. Von drinnen ertönte gedämpftes Gelächter.
    Er war am Ziel.
    Caspar öffnete die Tür und betrat schweigend den Wirtsraum, wo etliche Gäste an abgewetzten Tischen saßen und aus großen bauchigen Gläsern Wein tranken. Eben noch hatten sie sich angeregt unterhalten, doch plötzlich herrschte eine fast gespenstische Stille. Alle starrten sie den Fremden in dem zerlöcherten Wams an, dessen Gesicht so dunkel war wie die von Teer und Schmutz durchwirkten Holzwände.
    Ohne sich um die Blicke zu kümmern, trat Caspar an den Tresen und warf dem staunenden Wirt eine Münze hin. Sie rollte

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