Die Burg der Könige
über die vom Wein nasse Theke, dann blieb sie klingend liegen.
Es war eine ganz spezielle Münze, und sie tat ihre Wirkung.
»Ich möchte Nathanael sprechen, den Juden«, flüsterte Caspar. Mehr war nicht nötig.
Der Wirt stutzte, dann nickte er zögerlich und wies mit dem Kopf an den letzten freien Tisch. »Setzt Euch«, sagte er stockend. »Ich … ich werde sogleich nach ihm schicken lassen.«
Zum ersten Mal seit langem lächelte Caspar. Er deutete auf das kleine Fass, das hinter dem Wirt stand.
»Gut so. Dann gebt mir jetzt einen Schoppen weißen Burgunder und danach ein Bett mit möglichst wenig Flöhen«, sagte er mit fremdartigem Akzent. »Diese Stadt ist ein Drecksloch, aber wenigstens der Wein kann sich sehen lassen.«
Unter den vorsichtigen Blicken der anderen Gäste hinkte er mit dem gefüllten Glas zu seinem Platz. Schon nach ein paar Schlucken überrollte ihn die Müdigkeit, und sein Kopf fiel wie ein Stein auf die Tischplatte.
Die Menschen beobachteten ihn wie ein schlafendes, aber immer noch gefährliches Raubtier.
KAPITEL 20
Geyerschloss im unterfränkischen Dorf Ingolstadt,
4. Juni, Anno Domini 1525
athis duckte sich, als eine weitere Geschützkugel nur wenige Schritte von ihm entfernt mit großem Getöse einschlug. Um ihn herum ertönte Krachen und Bersten, Männer schrien, Pferde wieherten in Todesangst, Steinbrocken fielen von den Zinnen herab. Keuchend warf sich der junge Geschützmeister hinter den Kadaver eines mageren Rappens und wartete dort die nächste donnernde Salve ab.
Gerade einmal zweihundert Männer des Schwarzen Haufens waren von dem einst so stolzen fränkischen Bauernheer übrig geblieben. Die wenigen Überlebenden hatten sich in eines von Geyers Schlössern geflüchtet, das am Rande des Dorfes Ingolstadt lag. Dort wehrten sie sich zäh gegen das unvermeidliche Ende, das nach gut drei Monaten Kampf, Hunger und Torturen nun wohl bevorstand.
Mathis zuckte zusammen, als er an die Erlebnisse der letzten Tage dachte. Bei Königshofen, nicht weit von Würzburg entfernt, hatte der Schwäbische Bund Tausende von Bauern niedergemetzelt; selbst die, die sich auf dem Schlachtfeld tot gestellt hatten, waren wie Schweine abgestochen worden. Im nahen Würzburg hatte man die Gräuelberichte zunächst nicht glauben wollen. Die verhasste Festung Marienberg war zwar noch immer nicht eingenommen, trotzdem wiegten sich die Aufrührer in Sicherheit. Erst am Pfingstsonntag war man dann mit einem Teil des Heeres zögerlich dem Feind entgegengezogen. Nach kurzer Überlegung hatten sich auch Mathis und Melchior von Tanningen den Bauern angeschlossen. Noch immer hoffte Mathis, dass Florian Geyer mit seinen Vermutungen recht gehabt hatte und Agnes irgendwo im Tross des Schwäbischen Bundes zu finden war.
Hier bei dem kleinen unterfränkischen Dorf Ingolstadt, etwa fünfzehn Meilen von Würzburg entfernt, war es dann zum letzten Gefecht gekommen, in Scharen waren die Bauern vor der heranstürmenden Kavallerie geflohen. Nur Geyers Schwarzer Haufen hatte sich ins nahe gelegene Schloss Giebelstadt retten können, wo seitdem ein Kampf auf Leben und Tod tobte. Von zwei Seiten nahmen Kanoniere das alte Gebäude unter Beschuss. Mathis schätzte, dass es mindestens ein Dutzend Falkonette und mehrere größere Geschütze waren. Offenbar wollte der Truchsess ein Exempel statuieren. Mittlerweile standen vom Haupthaus des Schlosses nur noch Trümmer, allein die dicken, gut sechs Schritt hohen Mauern hielten weiterhin stand.
»Angriff auf der Südseite, Angriff auf der Südseite!«, schrie soeben einer der schwarzgewandeten Landsknechte gegen den Explosionslärm an. »Alle Mann auf die Leitern!«
Von seiner Deckung aus beobachtete Mathis, wie die Männer mit selbstgebauten Leitern zur Südmauer hasteten, dort hinaufkletterten und die zahlreichen Angreifer, die bereits auf den Zinnen standen, zurückwarfen. Einmal mehr bewunderte er die Entschlossenheit, mit der Geyers Landsknechte gegen den Feind vorgingen. Auch ohne ihren Anführer, der immer noch zu Verhandlungen in Rothenburg weilte, waren sie der harte Kern des Bauernheeres. Mathis musste an das denken, was er zuletzt zu Geyer gesagt hatte.
Tausend von Euren Männern und hundert neue Feuerrohre, und dieser Krieg wäre schon längst entschieden …
Aber sie hatten weder genügend Feuerrohre noch genügend gut ausgebildete Soldaten gehabt, und so hatte der Feind letztendlich gewonnen. Und wohl auch deshalb, weil es ihnen an echten Anführern fehlte.
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