Die Capitana - Roman
die Kommunistische Partei, ein, andere – wie ich selbst – waren sich unsicher. Selbst wenn die Russische Revolution der Motor unserer Rebellion war und wir uns den Marxismus auf die Fahnen geschrieben hatten, sträubte ich mich gegen das strenge Regelwerk einer Partei. Was, wenn ich mit ihren geltenden Direktiven nicht einverstanden war? Dann würde ich das kundtun, ermutigte mich Hipólito, wie bei Insurrexit . Ich glaube nicht, dass es dasselbe ist, entgegnete ich. Die Zeit sollte mir recht geben, aber im Leben kann man keine Etappen überspringen.
Julio Barcos wollte nicht dem PC beitreten, er würde sich auf die Leitung der avantgardistischen Literaturzeitschrift Quasimodo konzentrieren, einem Schwesterblatt von Insurrexit . Für Pancho Piñeiro war ein Leben ohne Zeitschriften unvorstellbar, er schrieb auch in Prisma , die Jorge Luis Borges gegründet hatte, und in Proa . Er strotzte vor Energie und Leidenschaft.
Armer Pancho! Nicht unsere Zeitschrift, deren Schicksal bereits besiegelt war und die nicht weiter erschien, führte die Gruppe noch einmal zusammen, sondern das Unglück. Pancho Piñeiro starb bei einem Autounfall. Er wurde 23 Jahre alt. Es war für uns alle ein schwerer Schlag, ein großer Verlust. Als seine Weggefährten stellten wir Gedichte und Prosatexte von ihm zusammen und gaben sie unter dem Titel Den Menschen nah als Buch heraus.
Denn nah den Menschen hatte Pancho auch geschrieben: »Heute möchte ich mit Bedacht zu dir sprechen und dir tiefempfundene Dinge sagen, ich will zu deinem Herzen sprechen.« Einige Zeilen von ihm sind mir mein Leben lang nicht aus dem Kopf gegangen: »Wenn ich mich an eine Seele lehne, nehme ich mich immer vor ihrem Abgrund in Acht.« Borges charakterisierte in Proa seine Texte so: »hochfliegende Verse, endgültig wie Statuen«. Den ersten Text, den Hipólito und ich gemeinsam verfassten, war das Vorwort zum Buch von Pancho Piñeiro.
Panchos Tante Carolina war so gerührt, dass sie uns als ihre Neffen und Nichten annahm. Sie lieh uns Geld, damit wir nach Patagonien gehen konnten. Aber das war erst drei Jahre später, als Hipólitos Gesundheitszustand sich verschlechterte. Aus der Partei hatten sie uns da schon ausgeschlossen.
Im November 1923 trat Hipólito Etchebéhère nach seiner Rückkehr von einem ärztlich verordneten Landaufenthalt in die Kommunistische Partei ein. Die Inbrunst, mit der er die Sache anging, seine leidenschaftlichen Reden räumten nach und nach Mikas Zweifel aus. Aber noch immer konnte sie sich nicht entschließen, in die Partei einzutreten. Bis zu jenem Abend in der Provinz Córdoba.
Hipólito reiste viel, um bei den verschiedensten Veranstaltungen für die Ideen der Partei zu werben. Nicht immer konnte Mika mitkommen: Sie hatte ihre Vorlesungen, ihre Arbeit. Nach Córdoba fuhren sie zusammen. Und dort auf dem Platz war ihr, als hörte sie ihn zum ersten Mal reden, als würde sie ihn überhaupt erst jetzt kennenlernen, so gepackt war sie von der brodelnden Euphorie, die Hipólito bei seinen Zuhörern auslöste. Wie war es möglich, dass sie immer noch nicht Mitglied des PC war? Im Juli 1924 trat sie in die Partei ein.
Um die Zeit, die sie gezaudert hatte, wieder wettzumachen, legte Mika los wie im Fieber: Sie gründete Frauengruppen, sprach in den Fabriken und auf der Straße, in der Stadt und in den Dörfern. Wenn sie das mit fünfzehn schon in Rosario bewältigt hatte, dann erst recht jetzt mit der Erfahrung, die sie seither gewonnen hatte.
Die Partei musste in Argentinien Fuß fassen, dafür verausgabten sie sich.
Da war natürlich noch das Institut für Zahnmedizin, Mika würde 1925 auf jeden Fall ihr Examen ablegen, dann das Abtippen bis spät in die Nacht hinein, ab und an ein Treffen mit ihren Freundinnen, und die Diät in Absprache mit Hipólitos Arzt. Er durfte sich nicht noch einmal so vernachlässigen, Mika würde dafür sorgen. Es war einfach, man brauchte nur einen Kerosinkocher im Zimmer, einen Plan und ein bisschen Zeit zum Einkaufen und Kochen.
Ja, die Zeit.
Die Diskussionen in der Partei fraßen Zeit. Aber diese Zeit war notwendig, sie mussten über die Ideen debattieren, konnten nicht einfach, ohne zu murren, die von der Kommunistischen Internationale vorgegebene Linie hinnehmen, nicht wahr, Genossen?
Mit demselben Eifer, mit dem sie neue Anhänger gewannen, gingen sie in den Parteiversammlungen aufeinander los. Und jeden Tag wuchs die Zahl derjenigen, die wie Hipólito und Mika diese stumpfe Hörigkeit in
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