Die Capitana - Roman
Frage stellten. Aber mehr als die inhaltliche Diskussion wog für die Partei ein gutes Verhältnis zu Moskau, und so setzte sich die Linie der Komintern durch, und nicht die Überzeugungen von Hipólito und Mika, die unter den argentinischen Genossen breiten Raum eingenommen hatten. Es war die Macht, nach der einige strebten, und nicht die Revolution. Hipólitos theoretische Kenntnisse über den Marxismus-Leninismus zählten nichts, auch wenn er deshalb vom Exekutivkomitee mit dem Verfassen der Satzung beauftragt worden war, auch seine herausragende Rednerkunst zählte nichts oder die von Mika auf die Beine gestellten Aktionen, entscheidend war, dass sie sich nicht bedingungslos der Politik der Kommunistischen Internationale fügten, sondern ihre Bewunderung für Leo Trotzki zeigten, und so wurden sie Ende 1925 aus der Partei ausgeschlossen.
1926 gründeten sie zusammen mit Gleichgesinnten, die aus dem PC ausgeschlossen worden waren oder ihn enttäuscht verlassen hatten, den Partido Comunista Obrero , die Kommunistische Arbeiterpartei. Eine gewerkschaftlich organisierte Lehrerin, Druckerei- und Metallarbeiter, zwei Ärzte, ein Architekt, ein Chauffeur, eine Zahnärztin – Intellektuelle und Gewerkschafter verschiedenster Berufszweige, und eine einzige Begeisterung. Die Zeitschrift Chispas , Funken, wurde das offizielle Blatt der Gruppe.
Für uns gehörte es dazu, dass man über Ideen diskutierte, so hatten wir es bei Insurrexit gemacht und so würden wir es unser Leben lang halten. Als man uns aus dem PC hinauswarf, blitzte zum ersten Mal auf, was wir Jahre später in Europa in seinem wahren Ausmaß und allen seinen dramatischen Folgen würden erleiden müssen.
Im Nachhinein betrachtet hätten wir keiner Partei oder politischen Organisation länger angehören können. Dogmen, denen man sich zu unterwerfen hatte, Bürokratie, die Winkelzüge der Macht, das alles war nichts für uns.
Damals war unsere Lösung der Partido Comunista Obrero , später oppositionelle Gruppen gegen den Stalinismus. Wir waren mit der Politik der Kommunistischen Partei nicht einverstanden, aber wir erkannten sie an. In Paris besuchten wir die Veranstaltungen der Kommunistischen Partei, in Berlin lernten wir in der Parteischule Deutsch und schlossen uns den großartigen Demonstrationen an, zu denen die KPD aufgerufen hatte. Wir sahen uns als Kommunisten an, wir waren Kommunisten.
Im Spanischen Bürgerkrieg wurde uns dann endlich klar, dass wir alle, die wir mit der blutigen Politik des Stalinismus nicht einverstanden waren, als gefährliche Feinde angesehen wurden, die es zu vernichten galt.
Aber noch wenige Monate bevor die gewalttätigen Angriffe auf den POUM losgingen – ich war gerade aus Paris zurückgekehrt, wo ich mich ein paar Tage erholt hatte –, schreckte ich davor zurück, meine Compañeros in Sigüenza über das aufzuklären, was die Oppositionellengruppe Que faire und noch andere auf dem Treffen in Périgny erörtert hatten. Die Nachrichten von den Gerichtsverfahren in Moskau gegen angebliche Feinde Stalins waren schockierend. Andere sahen viel deutlicher als ich, welche Gefahr eine russische Intervention in Spanien barg, vielleicht weil der Alltag des Krieges sie nicht vereinnahmte.
12. Kapitel
Paris – Madrid, November 1936
Als Mika zu ihrer Reise nach Paris aufbrach, stand ihr noch alles offen, alle rieten ihr, nicht nach Madrid zurückzukommen, ihre Milizionäre, die Compañeros des POUM und später dann ihre Freunde, die Rosmers, und die Genossen in Périgny, doch mit jedem Tag, den sie länger in Frankreich blieb, festigte sich Mikas Überzeugung, dass sie nur eines wollte, zurück nach Spanien. Um zu kämpfen. Ohne den Krieg hatte ihr Leben keine Zielrichtung, keinen Sinn. Nur bei diesen Leuten, die ihr Leben in den Dienst einer Sache stellten so wie sie, fühlte sie sich wirklich wohl.
Alles hatte sich verändert. Das musste sie zu ihrer Verwunderung feststellen, als sie sich in La Grange, dem Haus der Rosmers in Périgny, trafen, wo Mika den Genossen vom Krieg in Spanien berichten sollte. Welche Folgen es ihrer Meinung nach haben würde, wenn die Sowjets ihre Hilfe anboten, wollten sie wissen. Sie daraufhin nervös: Zu einer politischen Analyse fühlte sie sich nicht berufen, sie hatte nicht genügend Informationen und auch noch nicht weiter darüber nachgedacht, sie konnte ihnen nur aus dem Kriegsalltag berichten, von der Tapferkeit der Milizionäre, gleich welcher Richtung: von dem erstaunlichen
Weitere Kostenlose Bücher