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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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erzählte.
    »Wenn etwas Entsprechendes drinsteht, natürlich.«
    Auch wenn wir es auf Crítica , eine Zeitung für die Mittelschicht, nicht eigens abgesehen hatten, aber Salvadora hätte auch das nichts ausgemacht. Ich weiß nicht, wie sie dieses leichtsinnige Leben, das sie führte, mit ihren unabhängigen Ideen unter einen Hut brachte, aber sie schaffte es.
    Und dann kam dieser Herbstnachmittag, an dem ich meine Bücher, meine paar Kleider, den Mate und den Trinkhalm, die ich aus Rosario mitgebracht hatte, in einen Koffer packte und an die Tür des Zimmers klopfte, das Hipólito in der Calle Talcahuano gemietet hatte. Wir umarmten uns lang. Endlich zu Hause.
    Dieses Zuhause sollte mehrmals wechseln, auch das Land, aber seit jenem Nachmittag in der Calle Talcahuano war es für mich all das: Wärme, Licht, Wohlgefühl, Sicherheit.

11. Kapitel
Buenos Aires, 1923
    Sie haben sich heute Abend getroffen, um Bilanz zu ziehen und die richtige Entscheidung zu treffen. In zwei Jahren ist Insurrexit sehr weit gekommen, weiter, als sie es sich erträumt hätten. Herausragende Intellektuelle, politische Aktivisten, Schriftsteller wie Alfonsina Storni, Horacio Quiroga, sogar Romain Rolland, Henri Barbusse und Magdalena Marx haben für die Zeitschrift geschrieben.
    Jeder Artikel, jede Rubrik ist nicht nur in Argentinien auf großes Interesse gestoßen, sondern in ganz Lateinamerika, sogar aus Frankreich, den Vereinigten Staaten und England haben sie Rückmeldungen erhalten. Berichte über die Notwendigkeit einer Dritten Internationale, den Streik der Arbeiter in Córdoba, Analysen der Innen- und Weltpolitik, die Auseinandersetzung mit der Sozialistischen Partei, Besprechungen sozial engagierter Literatur und von Büchern über den Krieg, Betrachtungen über die Lage der Frau unter den sowjetischen Gesetzen, Kritik an der bürgerlichen Presse und dazwischen Zitate von Schriftstellern und Aufrufe zu Widerstand und Rebellion. Von ihren Seiten aus haben die Syndikalisten zur Einheit der Arbeiter aufgerufen, und die Studenten haben die Interessenkonflikte in den Bildungszentren angeprangert, ein Zeichen für die von ihnen ersehnte Einheit von Arbeitern und Studenten.
    Sie haben mehrere Krisen überwunden, die schwerste im August 1923, als die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe unerträglich wurden und die Zeitschrift fast eingegangen wäre. Aber sie haben überlebt. »Auch wenn unser Zusammenhalt gefährdet war, unserer Begeisterung war unerschütterlich«, bekannten sie in ihrem Leitartikel.
    »Wir haben uns auf einen Kompromiss geeinigt und werden uns daran halten. Wir werden neue Mittel auftreiben«, bekräftigt Pancho Piñeiro.
    Doch sosehr sie sich auch bemühen, soviel Anerkennung sie auch bekommen, um Insurrexit aufrechtzuerhalten brauchen sie Geld, und das haben sie nicht. Die Abonnements werfen nicht genug ab, und der freie Verkauf ist keine sichere Bank, sie verschenken viele Hefte, sie wollen niemandem die Zeitschrift verweigern, der sie nicht bezahlen kann.
    »Schön wär’s, wenn das Geld das einzige Problem wäre«, sagt Ángel Rosemblat düster. »Die ernüchternde Realität ist doch die: Die Mehrheit der jungen Leute kümmert die soziale Frage nicht. Die Universität ist eine Schmiede von kalten, gleichgültigen Karrieristen. Die Studentenschaft rafft sich gerade mal auf, um zu irgendwelchen Wahlen zu gehen, und fällt anschließend wieder in Dauerschlaf.«
    Er soll nicht übertreiben: Vor ein paar Tagen hat sich die Vereinigung kommunistischer Studenten gebildet, und in La Plata haben die Studenten des Liceo den Unterricht boykottiert, aus Protest gegen die Ermordung der italienischen Gewerkschafter Sacco und Vanzetti.
    Der entscheidende Redebeitrag kommt von Hipólito Etchebéhère: Die Zeit, die sie aufwenden, um die Mittel für eine nächste Ausgabe von Insurrexit zusammenzubekommen, fehlt ihnen für die Aktion. Und es ist an der Zeit …« – Er stockt, offenbar will er seine Worte gut abwägen.
    »An der Zeit, wofür?«, drängelt Rinesi.
    »Haben wir nicht in unserem Leitartikel geschrieben: Hoch lebe die soziale Revolution! Hoch lebe der Kommunismus! Haben wir nicht Stunden über Stunden mit der Lektüre von Marx, Engels, Lenin verbracht? Finden wir nicht, dass die Russische Revolution sich auf alle Gesellschaften ausweiten soll? Na dann, in Argentinien gibt es eine kommunistische Partei, die auf uns wartet. Insurrexit hat ihre Aufgabe erfüllt.«
    Einige traten direkt in den Partido Comunista,

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