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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Geheimnis anvertrauen – sogar vergessen, dass sie eine Frau ist.
    Genug davon. Antonio Guerrero kommt auf andere, wichtigere Punkte zu sprechen: wie sie den Angriff der Faschisten gestern abgewehrt haben, bedauerlich, dass sie so wenige Granaten haben, kommen bald mehr Gewehre? Viele haben eine Ladehemmung, und eines der beiden Maschinengewehre ist verunreinigt.
    Nur eines verschweigt Antonio Guerrero Kommandant Ortega, dass es ihm am Abend, als das Feuer aufgehört und er den Männern befohlen hat zu schlafen, fast das Herz zerrissen hat, als er Mika so verloren und schutzlos da stehen sah, wie sie herumirrte auf der Suche nach einem Platz, wo sie sich hinlegen konnte.
    »Komm mit«, befahl ihr Antonio.
    Mit dem Spaten in der Hand ging er durch einen der hinteren Schützengräben, bis er eine geeignete Stelle fand. Vier Spatenstiche, schon war der Graben breit genug.
    »Hier ist dein Zuhause, jetzt leg dich hin und schlaf.«
    Er sah ihr an, wie froh sie war: Vielen Dank, Antonio.
    Das Lächeln, das sie ihm schenkte, machte Seltsames mit ihm: ein Gefühl der Wärme breitete sich in ihm aus wie nach einem ordentlichen Schluck Schnaps, das ihn noch lange begleitete, während er auf den Feind lauschte.
    Obwohl Antonio Guerrero seinen Männern vertraut, schließlich sind sie Schafhirten wie er und daran gewöhnt, über weite Entfernungen Geräusche zu vernehmen, will er doch selbst horchen. Um sicher zu stellen, dass ihnen nichts entgeht. Um irgendwie wettzumachen, dass er nicht an einer Akademie war und keinerlei militärische Ausbildung genossen hat.
    Mika hatte noch nie in einem Schützengraben zwischen Erdwänden gehaust. Die schwüle Feuchtigkeit war gewöhnungsbedürftig, so rettend ein solcher Schützengraben während der Angriffe war, so übel riechend war er, wenn die Waffen schwiegen. Vier Tage (oder vier Jahre?), und sie würde sich darin eingefunden haben. Jedes Mal wenn die muffige Erde und die Ausdünstungen der ungewaschenen Menschen, wie sie selbst auch, sie ekelten, rief sie sich diesen ersten Abend in Erinnerung, als Antonio Guerrero mit einem Lächeln, das sie auf seinen Lippen nur erahnte, den Spaten genommen und die Grube ausgehoben hatte, die er ihr Zuhause nannte.
    Ihr Zuhause, allein das Wort gibt ihr genug Geborgenheit, um sich dem so dringend nötigen Schlaf zu überlassen.
    Mika hat kein anderes Zuhause als dieses, das ihr der Krieg gegeben hat, denkt sie in ihrer Schlafhöhle. Sie will auch gar keines, wie soll sie sich irgendwo zu Hause fühlen ohne ihn?
    Der ohrenbetäubende Knall auf der Seite des Feindes rettet sie aus ihrem Kummer, der sie gerade überkommen wollte. Ein Feuerregen geht nieder und steckt ihre Stellungen und die der Faschisten in Brand.
    Während sie sich auf die Erde presst, reglos, sagt sich Mika, dass sie offenbar doch leben will, auch wenn sie nicht versteht, warum. Sonst würde sie nicht versuchen, sich zu schützen.
    Am Abend zuvor noch hat sie Antonio Guerrero gegenüber das Gegenteil behauptet: Das Leben interessiert sie nicht, ihre eigenes Leben hat für sie keinen Wert, nur die Revolution. Das ist keine gute Einstellung, fand er, wenn sie Kinder hätte, würde sie nicht so reden. Und dann stellte er ihr, fast unhörbar leise, diese seltsame Frage: Ist sie unfruchtbar?
    Sie erklärte ihm, dass sie und ihr Mann sich gegen Kinder entschieden hatten, um unbeschränkt der Revolution dienen zu können, wo auch immer sie gerade gebraucht wurden: Und er, hatte er Kinder?, fragte Mika und nutzte diesen Moment der Vertraulichkeit, in dem die Spannung, die permanent zwischen ihnen herrschte, kurz einmal nachließ.
    Antonio Guerrero konnte diese barsche Art ihr gegenüber nicht ablegen, obwohl man ihm anmerkte, dass er sich seit ein paar Tagen bemühte, Mika besser zu behandeln, vielleicht sich mit ihrer Anwesenheit zu arrangieren, die ihn aus irgendeinem Grund so störte, jedenfalls stauchte er sie nicht mehr zusammen wie ein lästiges Kind, er antwortete ihr auch nicht mehr einsilbig und mied sie nicht mehr wie in den ersten Tagen, er ließ sich sogar auf ein Gespräch ein wie das an jenem Abend.
    »Nein, noch nicht. Ich bin nicht verheiratet.«
    Verärgert über sie oder über sich selbst, weil er zu viel von sich preisgegeben hatte, sprang er missmutig auf: Schluss mit Plaudern, wir sind im Krieg.
    Der Feind, stets bereit, gab eine Maschinengewehrsalve ab.
    Sie stellten das Feuer ein, doch später eröffneten sie ein neues, und am nächsten Tag wieder: neun Tote,

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