Die Capitana - Roman
Maricruz!
Jemand tippt ihn auf den Rücken: Hast du eine Minute Zeit, Antonio? Ich will mit dir sprechen. Es ist Mika, das fehlt ihm noch!
Sie gehen zu einem kleinen Wald, links von den Schützengräben. Sie fragt ihn, wie es mit seiner Erkältung geht, ob er denkt, dass sie heute noch angreifen, ob ihm der Eintopf geschmeckt hat, ganz offensichtlich redet sie um die Sache herum, sie hat etwas auf dem Herzen. Wollen sie sich hierhin setzen?, sagt er und zeigt auf einen am Boden liegenden Baumstamm.
»Antonio«, spricht Mika seinen Namen aus und schweigt dann mit gesenktem Blick.
Sollte es etwa sein, dass auch sie …? Ein Aufwallen in Antonios Körper, er hebt die Hand, will sich ihr nähern, zögert, die Hand zieht sich zurück und ist wieder an ihrem Platz, als Mika zu sprechen anhebt.
»Die Milizionäre sind sehr angespannt. Du musst ihnen Ausgang geben, im Turnus, in Gruppen zu fünft oder sechst für jeweils zwei oder drei Stunden. Dann können sie ein Mädchen erobern oder ins Bordell gehen, wenn es ihnen danach verlangt.«
Wenn es ihnen danach verlangt, hat sie gesagt … sie selbst erbittet es. Antonio erforscht sie mit dem Blick, und tatsächlich, ihre Augen glänzen vor Verlangen, aber was, wenn er sich täuscht? Wenn sie es falsch versteht? Sein Blick wandert von ihren Füßen zu ihrem Kopf und bleibt wieder bei ihren Augen hängen, die den seinen nicht ausweichen. Antonio hebt die Hand, nähert sich ihr mit seinem ganzen Körper.
Unter den dicken Kleiderschichten, dem Dreck, dem Schmerz, den der Kriegsalltag betäubt, ist immer noch eine Frau, denkt Mika. Eine Frau, die sich hingeben kann. Eine Frau, die plötzlich, vollkommen unvermutet, Verlangen hat nach diesem Mann.
Mika nimmt Antonios Hand von sich weg, besonnen, so als wäre nichts geschehen, und steht auf. Den Blick in die Ferne gerichtet, sagt sie: Ach, fast hätte ich es vergessen, Antonio, wir müssen den Schützengraben abstützen, ich zeige dir die Stelle, an der er bröckelt.
Woraufhin sie, ohne noch etwas zu sagen, weggeht. Er folgt ihr nicht.
Jetzt wird ihr einiges klar. Antonio Guerrero hat sie deshalb zurückgewiesen, sie nicht in seiner Kolonne haben wollen, weil er vom ersten Augenblick an die Frau in ihr gesehen hat. Warum ist sie darauf nicht gekommen, wirft sie sich streng vor. Was hat Antonio bei Mika entdeckt, das es ihm erlaubt hat, sie auf diese Weise anzusehen, sich ihr mit seiner Hand zu nähern, die, wenn sie sie nicht aufgehalten hätte …? Etwas erfasst sie, es ist das pure Verlangen nach diesem Männerkörper. Sie weist es von sich.
Die Anspannung bei den Angriffen. Der ganze Schmerz. Sie ist froh, dass sie einen Moment allein ist, ohne dass jemand sie sieht, ihr womöglich etwas anmerkt.
Mika lebt unter Männern und hat noch nie darüber nachgedacht, in welcher Beziehung sie zu ihnen steht. Als man ihr sagte, ihre Milizionäre seien auf die Compañeros im Bahnhof eifersüchtig, hat sie sich kurz Gedanken gemacht, die, wie alles andere, schnell wieder vergessen waren. Was sind diese Männer für sie, Söhne, Brüder, Kameraden? Sie sind ihr so fremd, sind unnahbar, hart, schwach, mutig, dickköpfig, sanft, ungeschickt, hassenswert, liebenswert. Nur eines weiß sie, dass ihr in der ganzen Zeit, seit er nicht mehr da ist, noch nie so etwas passiert ist wie heute mit Antonio Guerrero: dass etwas ihren Körper in Aufruhr versetzt, sie schwach wird von der Wucht der Sinne.
Normalerweise legen ihre Blicke nicht die Frau in ihr bloß. Wer ist Mika für ihre Milizionäre? Eine Frau, rein und hart, streng und züchtig, der man ihr Geschlecht verzeiht, solange sie nicht davon Gebrauch macht. Auch Mika hatte bis heute Nachmittag nicht das Gefühl, sie müsste irgendetwas in sich niederkämpfen. Was dieser Mann in Mika geweckt hat, und sei es nur für einen kurzen Augenblick, ist gefährlich, sie muss sehr wachsam sein.
Hinter Antonios Verhalten, urteilt sie, steht einfach nur männliches, vordergründiges Begehren, nichts weiter, wie es jedes weibliche Wesen, das sich empfänglich zeigt, in ihm entfachen würde.
Aber darin hast du dich getäuscht, Mika, seine Gefühle gingen sehr viel tiefer, wie sich an jenem schrecklichen Tag herausstellte, dem heftigsten in der Schlacht um Moncloa, als du beim Einschlag der Bombe verschüttet wurdest. Antonio Guerrero kniete sich auf den Boden und weinte vor seinen versammelten Milizionären, nachdem sie dich ausgegraben hatten. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was es für einen
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