Die Champagnerkönigin
sagte sie mit einem verkrampften Lächeln. »Ich habe heute einfach keine Zeit für ein Kaffeestündchen, Gerhard braucht mich in der Praxis.«
»Aber ich hatte mich so auf unser Gespräch gefreut. Und Matthias hätte ich auch gern wieder einmal gesehen.« Isabelle war enttäuscht und verwirrt zugleich.
Clara seufzte. »Matthias ist bei meiner Mutter, und es ist auch besser, er bleibt heute dort. Nun geh, bitte!«
Gekonnt schraubte Josefine eine kleine Gaslampe an ein älteres Fahrrad. »So, jetzt kann Herr Krawutschke auch im Dunkeln sicher durch die Stadt fahren. Reichst du mir bitte mal den Lappen?«
Isabelle, die auf einem Hocker in Josefines Fahrradwerkstatt saß, tat wie geheißen. »Fast wie in alten Zeiten«, sagte sie lächelnd. »Erinnerst du dich – kurz nachdem du deine alte Werkstatt eröffnet hattest, war ich ebenfalls bei dir zu Besuch. Dann klopfte es an der Tür, und herein kam irgendein wichtiger Beamter. Er wollte dich freundlich daran erinnern, dass auch du Steuern zahlen musst.«
Josefine, die die Lampe gerade abstaubte, stöhnte. »Ich war so dumm und naiv! An alles hatte ich gedacht, nur nicht daran, mein Geschäft anzumelden. Gott sei Dank warst du damals zur Stelle, allein wäre ich mit dem Herrn nicht fertig geworden.«
Einen Moment lang freuten sie sich an der Vertrautheit, die jede im Blick der anderen erkannte. Ächzend stand Josefine dann auf und strich sich über ihren Schwangerschaftsbauch.
»Ich brauche eine kleine Pause. Ein Stück die Straße hinunter hat eine kleine Gaststätte aufgemacht, dort servieren sie die beste Erbsensuppe Berlins. Wollen wir?«
»Ich mache mir Sorgen um Clara«, sagte Isabelle, als sie bei Suppe und großen Bechern Kaffee zusammensaßen.
Josefine biss sich auf die Unterlippe, sagte aber nichts.
»Clara? Was ist mit ihr?«, fragte Adrian, der sich spontan zu ihnen gesellt hatte.
Isabelle schaute ihren ehemaligen Verlobten an. Die Ehe schien ihm gut zu bekommen, er machte einen zufriedenen und glücklichen Eindruck.
Sie legte ihren Löffel fort und begann von ihrer seltsamen Begegnung an der Haustür zu erzählen.
»Glaubt ihr, dieser schreckliche Gerhard schlägt sie?« Allein die Frage auszusprechen war für Isabelle entsetzlich, der Gedanke selbst war es erst recht.
»Wehe, ich bekomme das einmal mit«, sagte Adrian grimmig.
Josefines Miene war nicht weniger zornig. »Ehrlich gesagt, traue ich diesem Mann alles zu«, sagte sie angewidert. »Vor einiger Zeit sah Clara schon einmal seltsam aus, damals war ihr rechter Arm rot angeschwollen. Sie sei im Garten unglücklich gestürzt, meinte sie, aber irgendwie habe ich ihr das nicht abgenommen. Ich wollte sie zum Reden bringen, aber sie war verschlossen wie eine Auster.«
»Das ist ja schrecklich«, hauchte Isabelle.
»Es war ihr peinlich, dass du sie in diesem Zustand gesehen hast. Nichts soll das Bild vom feinen Doktorehepaar trüben«, sagte Adrian und schenkte Josefine frischen Kaffee nach. Sie bedankte sich mit einem Lächeln, doch schon im nächsten Moment bemerkte sie: »Clara schämt sich, das verstehe ich. Aber solange sie sich uns nicht anvertraut, können wir ihr nicht helfen.«
»Clara weiß, dass ihr zwei immer für sie da seid. Wenn sie bereit ist, wird sie sich hilfesuchend an euch wenden«, sagte Adrian und strich Josefine dabei liebevoll über die Wange.
Wie gut die beiden sich verstanden, wie vertraut sie miteinander umgingen, dachte Isabelle und verspürte einen neidvollen Stich in ihrer Brust.
»Raymond verehrt dich … An seiner Seite würde es dir gutgehen«, hörte sie plötzlich Claras Stimme. Ja, bei Raymond fühlte sie sich wirklich geborgen und geschätzt. Andererseits war es nicht so, dass sie vor Sehnsucht verging, wenn er das Zimmer verließ. Ihre Gedankengänge wurden von Adrian unterbrochen, der sich verabschiedete – die Arbeit wartete.
Kaum waren sie allein, sagte Josefine: »Clara ist übrigens auch schwanger.«
»Sie ist schwanger? Aber …« Vergeblich versuchte Isabelle, einen Zusammenhang zwischen dieser Information und Claras Zustand herzustellen.
»Allem Anschein nach war der Herr Doktor nicht sehr erfreut über diese zweite Schwangerschaft«, sagte Josefine. »Ihm wäre es wohl am liebsten, er könnte jeden verdienten Pfennig wieder in seine Praxis investieren, doch nun, da Clara schwanger ist, muss er ein paar Mark für ein Dienstmädchen abzwacken.«
»Und deshalb schlägt er sie?«
Josefine zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.
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