Die Champagnerkönigin
zukünftigen Gattin bestimmt gut zureden, den Klotz an ihrem Bein, das Weingut, so schnell wie möglich loszuwerden. Ihr zwei sollt schließlich ein schönes, freies Leben führen. Mit Reisen in ferne Länder. Du weißt, ich stehe bereit. Und ich zahle gut. Mein Kaufangebot wird sogar Dich als gewitzten Geschäftsmann überzeugen.
Raymond wusste nicht, ob er angesichts solcher Unverfrorenheit lachen oder fuchsteufelswild werden sollte. Das war wirklich typisch Henriette!
Aber wenn hier jemand ein paar scharfe Pfeile im Köcher hatte, dann war er es. Die gute Henriette wusste es zwar noch nicht, aber sie war wirklich die Letzte, der er das Weingut Feininger verkaufen würde. Doch bis es überhaupt so weit war, stand noch ein gutes Stück Arbeit an.
Arbeit – wie nüchtern sich das anhörte. Isabelle zu erobern war doch keine Arbeit, rügte er sich stumm. Auch wenn es ihm manchmal so vorkam.
Sie war das zauberhafteste Wesen, das er kannte. Stundenlang hätte er sie nur anschauen können. Anderen Herren erging es nicht anders, Raymond labte sich regelrecht an den neidvollen Blicken, die ihnen zugeworfen wurden, wo immer er mit Isabelle am Arm auftauchte. Zudem war sie klug, redegewandt, ohne geschwätzig zu sein, und sie besaß mehr Charme als jede andere. Humorvoll war sie auch, sie konnte sogar über sich selbst lachen – eine Gabe, über die nur die wenigsten Menschen verfügten. Sie war die Frau, auf die er sein Leben lang gewartet hatte. Nach dem beruflichen Erfolg würde sie seinem Leben privat die Krone aufsetzen. Durch sie würde er dem Alter ein Schnippchen schlagen, in ihrer Nähe fühlte er sich so jung und agil wie lange nicht mehr. »Madame Isabelle Dupont« – der Name hörte sich weich und stimmig an.
Doch sah sie dies ebenso? Konnte sie sich ein Leben an seiner Seite vorstellen? Nach all den langen Kutsch- und Bahnfahrten, nach den vielen Ausflügen, Diners und Opernbesuchen, die sie in den letzten Wochen gemeinsam unternommen hatten, wusste er in letzter Konsequenz immer noch nicht, woran er bei ihr war. Dass sie Sympathie für ihn verspürte, stand fest, das demonstrierte sie ihm immer wieder, so wie heute Abend im Prater. Auch war sie voller Bewunderung für ihn als Geschäftsmann.
Er runzelte die Stirn. Oder sah sie womöglich immer noch lediglich den väterlichen Freund in ihm?
Auf einmal hatte Raymond das Gefühl, keine Minute länger als nötig mit dieser Frage allein sein zu können. Rasch zog er sich wieder an, schnappte sich den Zimmerschlüssel und verließ den Raum.
Unten in die Bar wurde er von leiser Pianomusik begrüßt. Ein paar Nachtschwärmer, zurück aus der Oper oder dem Theater, saßen an kleinen Tischchen und tranken Champagner oder Wein. Raymond ließ sich an der Bar nieder und bestellte einen Cognac. Dann lehnte er sich zurück, lauschte dem Pianisten und nahm seine Gedanken wieder auf.
In den ersten zwei Wochen ihrer Reise war Isabelle unruhig gewesen wie ein junges Pferd, dem man zum ersten Mal den Sattel auflegte. Ständig waren ihre Gedanken um ihre Tochter gekreist. Und ständig hatte sie über das Weingut gesprochen. Ob sich die Reblaus nun auch bei ihnen eingenistet hatte? Was wohl die Mutterpflanzen kosten würden, die Daniel bestellen wollte? Es hatte ihn viel Mühe gekostet, sie aus ihrem Gedankenkarussell herauszuholen. Besonders schlimm war es in München an Leons Todestag gewesen, wo sie schon mit verheulten Augen am Frühstückstisch erschienen war. Ausgerechnet an jenem Tag hatte er einen wichtigen Kundentermin gehabt, doch sie in diesem Zustand mitzunehmen wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Zum Verkaufen benötigte man eine frohe Stimmung. Also hatte er eine Kutsche bestellt und den Fahrer angewiesen, mit Isabelle eine ausgedehnte Fahrt entlang der Isarauen zu machen. Das Grün der Feuchtwiesen und das Plätschern des Wassers hatten ihr offenbar gutgetan, denn als sie sich am späten Nachmittag im Hotel wiedertrafen, hatte sie sich wieder gefasst.
Der Pianist kam jetzt zum Ende seiner Melodie, die Gäste applaudierten mit leisem Händeklatschen. Raymond winkte den jungen Mann zu sich und drückte ihm eine Münze in die Hand. Dann forderte er ihn auf, eine schwungvollere Weise zu spielen. Vielleicht brachte ihn das auf frohere Gedanken. Obwohl – unfroh war er eigentlich gar nicht, lediglich ungeduldig. Aber Isabelle war nun einmal keine Frau, deren Herz man im Flug eroberte.
Immerhin hatte er das Gefühl, dass ihre Grübeleien und Gedanken
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