Die Chance seines Lebens
hässlichen Worten und Gesten nicht ärgern. Heute waren ihre Gedanken nur auf die Aula gerichtet. Sie warteten sehnsüchtig auf das Ende des Unterrichts.
Selbst bei Fabian fehlte diesmal die Konzentration im Unterricht; immer wieder schweiften seine Gedanken ab.
Als Herr Müller vor ihm stand und keine Antwort auf seine Frage erhielt, klopfte er laut auf den Schreibtisch.
Fabian zuckte zusammen, und die Klasse lachte. „Ausgeträumt?“
Fabian nickte schuldbewusst.
Nach sechs Stunden Unterricht rasten fast alle Jugendlichen aus dem Schulgebäude. Einige Mädchen und Jungen versammelten sich in der Aula und warteten auf ihren Auftritt. Auch Fabian und die beiden Mädchen gesellten sich dazu.
Frau Sommer betrat die Bühne und forderte die Jugendlichen auf, sich zu setzen. Nacheinander sollten sie auf die Bühne kommen und ihre Darbietung zeigen. Sie wählte die betreffenden Jugendlichen aus, und mit diesen würde sie in den nächsten Wochen üben.
Fabian beobachtete gespannt jede einzelne Darbietung. Manche hatten Talent, andere wieder nicht. Traurig ließen diejenigen ihren Kopf hängen, die nicht ausgewählt wurden. Nach einer Stunde waren endlich Yasmina, Romina und Fabian an der Reihe. Sie stritten sich, wer zuerst anfangen sollte, bis Frau Sommer bestimmte: „Fabian, fang bitte du an!“ Fabian kletterte schwerfällig auf die Bühne und holte seine Geige heraus. Er stellte sich hin, legte seine Geige an seine Schulter und strich mit dem Bogen über die Saiten. Vollkommen versunken in sich und in die Musik, spielte Fabian, und alle lauschten hingerissen. Der sonst übliche Geräuschpegel in der Aula verstummte. Einzig Fabians Geige war zu hören. Als er geendet hatte, blieb es immer noch ruhig.
Frau Sommer klatschte. „Sehr gut!“, lobte sie. „Du bist dabei“, dann drehte sie sich zu Romina um. „Du bist jetzt dran!“
Romina wirbelte über die Bühne, als wären ihre Beine und Füße aus Gummi.
Fabian lächelte über das Temperament des Mädchens und klatschte begeistert in seine Hände.
„Toll, auch du bist dabei! Und jetzt Yasmina bitte!“, rief Frau Sommer.
Yasmina stand stocksteif auf der Bühne; ihre glockenhelle Stimme erklang leise in der Aula. Als sie geendet hatte, schüttelte Frau Sommer ihren Kopf: „Ich weiß nicht ...“
Niedergeschlagen wollte Yasmina gerade die Bühne verlassen, als Frau Sommer ihr hinterher rief: „Yasmina, wir probieren es, denn du hast eine sehr schöne Stimme, aber viel zu leise und bitte mit mehr Gefühl!“
Freudestrahlend sauste Yasmina zur Romina und umarmte sie. „Wir sind dabei!“, und dann umarmten die Mädchen auch Fabian. Verlegen errötete er, denn es war die erste Umarmung eines Mädchens.
Es dauerte eine weitere Stunde, bis alle Jugendlichen vorgesungen, getanzt und gespielt hatten. Letztendlich war nur noch eine Gruppe von zwanzig Jugendlichen übrig.
Frau Sommer postierte sich vor die Mädchen und Jungen. „Ihr seid die Auslese, mit euch werde ich ab morgen proben. Sobald euer Unterricht vorbei ist, könnt ihr zu mir in die Aula kommen. So fangen wir nicht alle gleichzeitig an, und ich habe Zeit, auch einzeln mit euch zu üben. Ich sage euch gleich, eure Gruppe wird sich noch verkleinern, nach einem Monat werdet ihr nur noch zehn sein, und fünf kann ich lediglich anmelden. Gebt euch Mühe! Ich dulde keine große Klappe, keine Streitigkeiten oder Schlägereien. Die Handys bleiben bitte auch aus. Wer Ärger macht, kann gehen. Seid ihr einverstanden?“
Alle Jugendlichen nickten, denn sie wollten unbedingt an diesem Wettbewerb teilnehmen.
Gemeinsam mit Romina und Yasmina verließ Fabian die Aula. „Wo hast du nur so gut spielen gelernt?“, fragte Romina.
Fabian schmunzelte über diese Frage. „Wir hatten mal früher einen Nachbarn, der war Musiklehrer. Er war sehr alt und konnte selbst nicht mehr spielen, weil er schlimmes Rheuma hatte. Der hat mir alles beigebracht, und vor seinem Tod hat er mir seine Geige geschenkt. Ich habe ihm die Liebe zur Musik und überhaupt zur Geige zu verdanken. Ohne ihn und seine Geige wäre das jetzt nicht möglich gewesen“, erklärte Fabian nachdenklich.
„Und du, du tanzt so wunderbar.“
„Das ist keine Kunst, bei uns tanzen alle. Tanzen und Singen gehören zu unserer Kultur, wir wachsen damit auf.“
„Und du, Yasmina?“
„Bei uns ist es fast wie bei Romina, Singen und Tanzen gehört zur Kultur. Meine Eltern legen da auch viel Wert darauf.“
„Ob wir Glück damit haben?“, fragte
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