Die Chance seines Lebens
gewesen, aber sie wusste genau, dass ihr Vater sich nicht drängen ließ.
Erst als die Mahlzeit beendet war, reagierte ihr Vater. Er hob den Kopf und blickte Romina an. „Ich möchte nicht, dass du daran teilnimmst.“
Romina wurde blass, dann schrie sie auf. „Warum? Das ist eine Chance, die ich nie wieder erhalte!“
„Warum? Ich möchte nicht, dass meine Tochter vor Schaulustigen vortanzt und damit basta!“
„Frauen und Mädchen haben in unseren Kulturkreisen immer vorgetanzt, und es war nie ein Problem für andere.“
Romina und ihr Vater schauten sich wütend an.
„Wenn ich ‚nein‘ sage, dann bedeutet das ‚Nein‘!“
Romina rannte wütend in ihr Zimmer und warf sich heulend auf das Bett. Ihr Körper erzitterte vor heftigem Schluchzen.
Ihre Mutter betrat nach einiger Zeit den Raum und setzte sich zu Romina aufs Bett. Ihre Hand fuhr zart über ihren Kopf. „Ich habe mit deinem Vater noch einmal gesprochen, aber er lässt sich nicht erweichen. Tut mir leid, mein Kind, ich hätte es dir gewünscht.“
„Ach Mama, warum? Warum gönnt er mir nicht die Chance?“ „Er möchte nicht, dass du dich zur Schau stellst. Er hat Angst, dass du dann keinen geeigneten Ehemann findest.“
Jetzt schoss Romina erschrocken hoch und schaute ihre Mutter entgeistert an. „Einen Ehemann? Was soll ich mit einem Ehemann? Ich möchte einen Beruf lernen und will einmal selbstständig sein und keinen Ehemann haben.“
Die Mutter drückte Romina an sich. „Mein Kind, du kennst unsere Kultur und unsere Werte. Dein Vater wird eines Tages den Ehemann für dich aussuchen. Schlag dir deine Flausen also aus dem Kopf!“
„Oh Mama, warum darf ich nicht so sein, wie die anderen Jugendlichen? Warum können wir uns nicht einfach anpassen? Es ist doch jetzt alles anders.“
„Wir sind nun einmal Roma, und daran ist nichts zu ändern.“ „Das ist richtig, aber auch wir können mit der Zeit gehen.“
Ihre Mutter schüttelte nur ihren Kopf und verließ das Zimmer. Romina war nicht nur total unglücklich, nein, sie war richtig sauer. Sie wusste, dass sie sich morgen abmelden musste. Unglücklich blieb sie auf dem Bett liegen und schlief irgendwann ein.
Thomas musste sich zu Hause beeilen, denn er traf sich nachmittags immer mit Nico. Schnell räumte er das Geschirr in die Spülmaschine und raste dann zu ihrem Treffpunkt. Manchmal dachte er darüber nach, warum Nico die Obdachlosen so mies behandelte. Die konnten ja schließlich nichts dafür, dass sie auf der Straße lebten. Auch in der Schule schämte er sich oft dafür, wenn er manche Schüler ärgerte und erpresste, aber er gehörte seiner Gang an und musste sich an die Regeln halten.
Bei Franko war es auch so, das sah er an seinem Gesichtsausdruck, wenn Nico Schläge austeilte.
Mehr und mehr ging ihm in letzter Zeit auf, dass er damals einen Fehler gemacht hatte, als er sich Nico anschloss. Aber jetzt konnte und durfte er sich nicht mehr von Nico abwenden. Seine Gesundheit und vielleicht auch sein Leben wären in Gefahr. Einmal Mitglied, immer Mitglied, daran ließ Nico keinen Zweifel. Gut, dass seine Eltern davon nichts wussten. Na ja, was wäre auch schlimmer? Nico oder seine Eltern?
Inzwischen war er am Gebäude angekommen und ging in die Katakomben, wie er es nannte.
Deniz war auch schon da und wartete auf Nico. Deniz wohnte wie Nico in einem der Hochhäuser. Er war türkischer Abstammung und hatte es auch nicht leicht. Sein Vater war ebenso wie der Vater von Nico arbeitslos.
Bei Thomas war es ganz anders. Seine Eltern waren beide berufstätig, und sie lebten in einer guten Wohngegend. Diese Schule besuchte er nur, weil er definitiv zu faul zum Lernen war. Er hatte einfach keinen Bock auf Schule. Wie oft musste er sich eine Standpauke von seinen Eltern anhören, und er wusste genau, dass sie recht hatten. Aber Schule war einfach nicht sein Ding. Jetzt lümmelten sich beide Jungen auf einer alten Ledercouch herum und warteten gemeinsam auf Nico. „War das ein abgefuckter Tag heute“, so Deniz. Er rauchte eine Zigarette und spielte mit seinem Handy.
Thomas hörte gar nicht richtig zu. Seine Gedanken waren bei Fabian, denn er fand den Neuen cool . Einige Minuten später öffnete Franko die Türe, unter seinem Arm hatte er sein Skateboard.
Nach einer halben Stunde zog Nico lärmend in ihren Unterschlupf ein. „Was geht ab? Ihr lümmelt euch hier herum, und ich musste mich draußen mit ein paar Arschgeigen herumärgern.“
„Sorry!“, die Jungen
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